Schattenmann

Myriam Knoll

von Myriam Knoll

Story

Ihre Hand zieht den Saum ihrer Shorts nach unten, während sie die Straße überquert. Die Ampel blinkt rhythmisch. Autos bleiben aus.

Auf der anderen Seite dreht sie sich um. Nichts. Die Ampel pulsiert weiter.

Sie wendet sich dem Gehweg zu und lässt ihre beringte Hand über den Bauzaun klacken. Sie summt leise zur Melodie. Die Bäume hinter dem Zaun steigen rauschend ein in ihr Lied.

Schritte lassen sie verstummen. Sie sieht sich wieder um. Blätter werden durch die schlecht beleuchtete Straße geweht.

Okay.

Vor ihr die Ecke zur Hauptstraße, das rettende Ufer, taghell erleuchtet, von Stimmen gesäumt.

„He, Kleine. Kannst du den dein Top für uns noch etwas weiter runter ziehn?“, zwei weißbärtige Männer prosten ihr mit halbvollen Bierflaschen zu. Sie sitzen so nah am Gebüsch, dass ihre Gesichter von der Dunkelheit verschluckt werden. „Mal schauen, ob ihr Arsch genauso geil ist wie der Rest.“

Sie zieht wieder an ihren Shorts und biegt schnell um die Ecke.

Erleichtert erkennt sie all die Menschen, die Nachzügler, genauso wie sie auf dem Nachhauseweg. Pärchen flanieren, während die Einzelgänger sich hektisch an ihnen vorbeischieben. Endlich atmet sie auf.

„Entschuldigung.?“, sie sieht auf, vom Straßenlicht geblendet erkennt sie nicht, wer da vor ihr steht. „Wo gehts denn heute noch hin bei dir?“ Sie schüttelt den Kopf und verschnellert ihren Schritt. Eine Gruppe Schuljungen kommt auf sie zu, das erkennt sie an ihren Schuhen, den Kopf hält sie gesenkt. Einer schwenkt zur Seite aus, kommt immer näher auf sie zu und lacht hämisch. Schweigend weicht sie zur Seite aus. Die Jungen grölen hinter ihr.

Endlich hebt sie wieder ihren Kopf. Sie versucht noch schneller zu gehen, die zwei Frauen vor ihr einzuholen, nicht alleine gehen zu müssen. Doch sie biegen ab.

Vor ihr liegt Dunkelheit.

Sie zieht den Schlüssel viel zu früh aus der Tasche, hört die Schritte immer lauter werden, dreht sich noch einmal um an der Tür, bevor sie es wagt hindurch zu schlüpfen, in die Sicherheit. In das Treppenhaus, das nach Staub riecht und Zuhause.

Sie streckt die Hand zum Lichtschalter aus.

Und zuckt zurück.

Männer aus Schatten starren von der Treppe auf sie herab und genießen das Dunkel.

© Myriam Knoll 2022-08-06

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