Schattenseiten

Ignatius-B-Samson

von Ignatius-B-Samson

Story

Viele nennen sie Trigger, doch ich bin kein Freund von Anglizismen. Die deutsche Entsprechung wäre der Auslöser, doch der ist wertfrei, er kann positiv wie negativ sein. Hier aber dreht sich alles um das Dunkle, mir geht es um die Schattenseiten.

So wertvoll, so wichtig, so lehrreich es ist, denn das ist es, es hat seine Existenzberechtigung, so unerträglich schmerzhaft ist es auch, seine eigene Finsternis vor Augen geführt zu bekommen. Nicht im Sinne von Kritik oder Vorwurf, allein durch ihre Existenz zeigt mir diese Person, wie ich wirklich bin. So sehr ich auch daran glauben will, dass ich ein guter Mensch bin, der Besseres verdient, so belehren mich meine eigenen Gedanken und Reaktionen eines Besseren. Ein Mensch, von dem ich mir einrede, dass ich ihn liebe, kommt gut ohne mich zurecht, behandelt mich freundlich, und ich? Ich bin frustriert, weil ich zu ihrem Glück nicht erforderlich bin. Ich bin kalt und abweisend, weil ich mich eigentlich nur in den Gedanken verrannt hatte, ihr wichtiger zu sein als ich bin. Wie egozentrisch, wie narzisstisch ist es, kein Glück gönnen zu können, selbst der Mittelpunkt sein zu müssen, selbst bei jenen, die mir wichtig sind?

Ich will so nicht sein, doch ich werde dieses trübe, dunkle Etwas nicht los, das sich auf meine Seele gelegt hat, so wie David Martìn, der Protagonist in “Spiel des Engels”, einem Roman von Carlos Ruìz Zàfon. Ich hatte immer den Eindruck, er wäre ich. Sollte dem tatsächlich so sein, so wäre die gute Nachricht nach Abschluss der Reihe, dass ich nicht der Böse der Geschichte bin, wonach es durchaus zeitweilig aussah. Die schlechte Nachricht wäre, dass ich geisteskrank bin, was gar nicht so abwegig ist- ein erster Anhaltspunkt könnte die Tatsache sein, dass ich mich mit fiktiven Charakteren vergleiche. In “Spiel des Engels” geht der Protagonist eine Art faustischen Pakt ein, er verkauft dem Teufel seine Seele, um seine Bedürfnisse erfüllt zu bekommen, und jeder Mensch weiß instinktiv, dass das nur schief gehen kann… würde der Teufel mir das anbieten, wonach ich mich sehne, würde ich keine Sekunde zögern, ihm meine Seele, so ich denn überhaupt eine besitze, anzubieten. So viel zu meinem gesunden Menschenverstand.

Vielleicht ist das der Grund, warum ich mich so schwer mit anderen Menschen tue, vielleicht meiden sie mich, weil sie instinktiv spüren, dass man nicht in meine Nähe kommen sollte, dass meine Nähe nicht gut, nicht gesund ist. Vielleicht suche ich auch nur krampfhaft nach einem Grund, warum die Dinge bei mir so anders laufen als bei anderen Menschen -ziemlich narzisstisch übrigens, zu glauben, man sei so anders als andere.

Ich versuche ein guter Mensch zu sein. Ich esse wenig Fleisch, trinke so gut wie nie, versuche umweltfreundlich und nachhaltig zu handeln. Vielleicht kann ich so irgendwann daran glauben, meine Schattenseiten unter Kontrolle zu haben.

© Ignatius-B-Samson 2022-07-25

Hashtags