Schatzkiste München

Story

Meine Filmschatzkiste einen Spalt geöffnet. Schon tauche ich ein, wie früher am Dachboden beim Nachbarn. Der war ein Bauer und sein Dachboden eigentlich eine Tenne. Da standen uralte, verstaubte Kisten mit “Schätzen” aller Art und die Dorfkinder durften da wühlen und Prinzessin spielen.

Und jetzt wühle ich in meiner München-Schatzkiste. Die hab zwar schon ganz schön geplündert für mein GLORIA-Buch, aber ein paar Erinnerungsfetzen finden sich immer noch.

An sehr vieles kann ich mich genau erinnern, aber ich glaube, 10x mehr liegt wie hinter einem Schleier verborgen. Ich sehe mich da ganz am Anfang auf einer Party. Mit großen Augen. Rundherum lagen Menschen. Ich hatte nie Drogen genommen, hatte und habe Angst davor. Trank auch kaum. Alkohol schmeckte mir nicht. Ich war gerade 23 geworden und konnte nicht einmal rauchen! Mein Kärntner Freund, den ich nach München mit verschleppt hatte, sah gut aus und war auf der Party begehrter als ich. Um ihn scharten sich auch Männer. Wie es ausging, weiß ich nicht. Der Schleier!

Der Geschleppte kehrte bald danach zurück, zur Freude seiner Eltern und zu seinem BWL-Studium. Allerdings nicht mehr nach Graz, sondern nach Innsbruck. Wir blieben in Verbindung. Als in Innsbruck 1976 die Olympiade stattfand, bekam ich von meinem (einzigen ever) Film Sugar Daddy 6 Karten für das Eishockey Endspiel zwischen Russland und der Tschechoslowakei. Der tschechische aber mittlerweile US-amerikanische Sugar Daddy interessierte sich nicht für Eishockey.

Und ich hatte da noch diesen BWL-Studenten in Innsbruck und der kannte Studenten, die eine Freikarte für dieses Wahnsinnsspiel sehr gerne annahmen. Also fuhr ich mit Kollegin Angie, die mir das Rauchen beigebracht hatte, nach Innsbruck. Und da sehe ich tatsächlich weniger das unglaublich spannende Spiel, die Tschechen gewannen gehen die verhassten Russen, sondern den Fonds eines Autos vor meinem geistigen Auge, und einen Sportstudenten an mir herumfummeln. Vor lauter Dankbarkeit für die Freikarte. Das kann man sich ja lebhaft vorstellen. Ich wäre da auch dankbar gewesen. Extrem sogar. Es gab wahrscheinlich damals für einen Innsbrucker Sportstudenten kaum etwas Begehrenswerteres als diese Freikarte. Und dann ist da wieder dieser Schleier. Ich weiß nur noch, dass er Zwanzger hieß. Er besuchte mich kurz darauf in München. Aber da war ich schon nicht mehr verschleiert. Hatte auch keine Freikarten mehr.

Einmal noch passierte etwas. Eigentlich eh wenig für vier Jahre. Im Fasching. Da musste ich wohl doch schon ab und zu ein Gläschen Wein zu mir genommen haben. Die Angie hat wahrscheinlich darauf bestanden, und weil es Fasching war wollte ich ihr die Bitte nicht abschlagen. In der Früh dann, kein Schleier. Oder sagma so: Zu wenig Schleier. Und ich dachte: Gretl, hat DAS bzw. DER wirklich sein müssen?

Manchmal abends auf meinem Fernsehsofa aus Elefantengras. Abspann eines Films. Ich schrecke auf: Ah, da war doch was! Und dann: Wieder dieser Schleier!

© 2022-04-02

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