von Eva Filice
Viele Sonntage meiner frühen Jugend zeichneten sich durch den gewohnten Ablauf aus: Am Vormittag stand der Pflichtbesuch der Sonntagsmesse auf dem Programm. Vom Pfarrer überprüft. Beliebter Treffpunkt mit Freundinnen war das Seitenschiff der Kirche. Sehr andächtig verfolgten wir die Hl. Messe nicht. Wir planten den Nachmittag. Spaziergang? Fußballplatz? Konditorei? Kino?
Punkt 12:00 fand das Mittagessen zu Hause mit der Familie statt. Eine Rindsuppe oder Hühnersuppe mit Mamas selbstgemachten Nudeln schmeckte allen vorzüglich. Als Hauptspeise gab es immer Fleisch. Entweder einen Schweinsbraten, Wiener Schnitzel, Backhenderl oder seltener ein gekochtes Rindfleisch. Beilagen und Salate variierten je nach Jahreszeit. Nach dem Essen war Hilfe beim Geschirrabwaschen vonnöten. Ab 14:00 war ich frei. Ich erhielt von Mama 10 Schilling Sonntagsgeld.
Der Treffpunkt mit den Freundinnen war unterschiedlich. Manchmal gingen wir auf den Sportplatz. Meistens trafen wir einander in der Konditorei Ziegler, das war ein Fixpunkt der Sonntagnachmittage. Dort saßen wir eng beisammen. Später trafen auch Burschen ein, die am Nebentisch Platz nahmen, scherzhaftes Geplänkel und Anbandeln erheiterte uns. Ich überlegte, wie ich das Geld am besten nützen konnte. Wenn ich eine Cremeschnitte wählte und ein Cola oder Fanta dazu bestellte, ging sich die Kinokarte aus. Entschied ich mich aber für eine Schaumschnitte, die meine zweite Wahl war, konnte ich auch noch ein Kinoprogramm kaufen. Da ich mit Leidenschaft die Programme sammelte, wählte ich mich meistens schweren Herzens die Schaumschnitte. Das war eine Süßigkeit, die als Boden einen Blätterteig hatte, darauf war eine ca. 8 cm hohe Schicht aus weißem flaumigen „Schnee“. Der Schaum wurde durch Mixen von Eiklar und Zucker hergestellt und nach dem Backen mit einer hauchdünnen Schokoladenglasur überzogen. Das schmeckte mir gut, aber die Cremeschnitte wäre mich noch lieber gewesen.
Der Kinobesitzer im Ort war mein Onkel, ein Cousin meiner Mama. An einem Sonntag kaufte ich die Kinokarte und ein Programm. Mein Onkel war an der Kassa und ich hatte zu wenig Geld, denn es fehlten 20 Groschen. Das Programm oder die Kinokarte waren um 20 Groschen teurer geworden. Ich wollte ihm das Geld beim nächsten Mal mitbringen, aber das ließ er nicht zu. So konnte ich damals kein Programm kaufen. Ich war sehr verärgert, denn mein Onkel war oft bei uns zum Essen eingeladen, und mein Vater half ihm gerne bei verschiedenen Tätigkeiten; gratis. Wäre meine Tante an der Kassa gewesen, hätte ich das Programm sicher bekommen – ohne Nachzahlung.
Cremeschnitten liebe ich auch heute noch. Die besten gab es früher in der Konditorei Aida, aber seit die Kurkonditorei Oberlaa mehrere Filialen in Wien hat, bevorzuge ich diese Cremeschnitten. Unlängst versuchte ich eine Cremeschnitte in der Konditorei Heiner in der Wollzeile, die auch sehr köstlich schmeckte. Beim nächsten Kaffeehausbesuch in der Konditorei Oberlaa in Hietzing, im ehemaligen Café Dommayer, werde ich wieder meine Lieblingscremeschnitte genießen. Darauf freue ich mich.
© Eva Filice 2023-02-19