Scheiß Hippies

Berit Glaser

von Berit Glaser

Story

Ich wache auf. Bissl geschlaucht, weil doch wenig Schlaf und ewig her die letzte Mahlzeit – wenn man Gemüse ohne Salz und Öl überhaupt so nennen kann – aber sonst völlig nüchtern und fit. Dass die Vögel zwitschern, nehm ich nicht wahr, dafür aber ein Gefühl, das ich erst nicht einordnen kann. Der Michi ist auch wach. Und anti drauf, so kenn ich den gar nicht. Sagt, er sei Hedonist und was für eine Scheiße, die ganze Kasteiung und dann noch im Urlaub und für genau nix und da scheißt er jetzt drauf. Ich so von wegen chill mal, is ja Wurscht, heut is noch eine Nacht, bla. Dann macht er das einzig Richtige und geht mit sich selbst in den Wald. Während er weg ist, hör ich unfassbare Reiseberichte von Farben, Formen, Licht, Liebe und Erkenntnis, sehe veränderte Gesichter, die strahlen und in völlige Fassungslosigkeit kippen, als ich auf die Frage nach meinem Trip den Kopf schüttle und „nada“ sag. „Wirklich? Nichts? Gar nichts?“

Der Michi ist wieder da, ganz der alte, entspannt und alles. Jetzt erst lass ich locker und erkenne, was da während der letzten Stunde in mir geschwelt hat. Ich bin frustriert. Und zwar sowas von. Natürlich beginnt irgendwer, auf der Gitarre irgendein Patcha-Mama-Lied zu singen. Scheiß Hippies, denk ich und fühle, wie mir die Tränen kommen. Okay wow, das is jetzt schon auch ein bissl übertrieben. Was is los mit mir?

Ich geh weg von den anderen zum Fluss. Einmal um die Biege find ich eine Palme, die horizontal übers Wasser wächst und setz mich mit dem Rücken zur Lichtung. Ich lass die Beine ins Wasser hängen, die Tränen dazutropfen und tu mir selber leid. Da hör ich hinter mir ein Platschen. Gael, na sehr super. Bei dem weiß ich nie, ob er mir zu intense is, oders mich nur nervt, dass er oft Sachen sagt, die ich nicht hören will, aber weiß, dass er recht hat. Bevor ich mich entscheiden kann, ob ich ihm sagen soll, dass ich allein sein will, is er schon da, setzt sich neben mich und lehnt sich so ein bissl an.

Wie durch den Körperkontakt getriggert, beginn ich plötzlich so richtig loszuweinen, wie früher früher, mit Schnappatmung und echter Verzweiflung. „It’s okay, let it out“, sagt Gael mit seinem französischen Akzent und sonst nichts. Ich mach das und hab plötzlich Worte für dieses Gefühl, die rauswollen während sie entstehen. Dass ich mich um ein spirituelles Erlebnis betrogen fühle, auf das ich genaugenommen mein Leben lang warte. Schon als Kind war ich von Menschen umgeben, die alles Mögliche spüren und ich wollt auch… und alles richtig machen, aber irgendwie hats nie geklappt. Gael sagt ein paar Sachen, die vermutlich universell sind, aber gut passen für mich und diesen Moment. Von wegen, dass es darum geht, den inneren Space zu vergrößern und mal endlich aufzuhören mit dem ständigen Vergleichen. Dann lässt er mich wieder in Ruhe, ich wein noch ein bisschen aus und beruhig mich wieder. Dein Weg ist halt ein anderer, subtilerer, sag ich zu mir selbst und mach mich auf zurück zur Lichtung, wo dann doch noch eine Offenbarung auf mich wartet.

© Berit Glaser 2022-08-01

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