Scheidung mit Fünfzig?

Provinzmadame

von Provinzmadame

Story
Salzkammergut 2009

„Jetzt hast es so lange ausgehalten, warum jetzt noch?“ Weil der Fünfziger ihre Deadline war. Wer eine Ehe führt, in der man lieber weggeht, als nach Hause kommt, für den ist dieser Schritt besser. Provinzmadame hatte keine Nerven mehr für Diskussionen, ob das Zahnbürschtl jetzt zu wechseln ist oder nicht. Der Kilometerstand mit dem Datum vom Tanken übereinstimmt und ob die walnussgroße Menge vom Duschbad, sparen hilft oder nicht. Es war nicht ihre Angst, dem „Luxus“ Adé zu sagen und stattdessen Nudelsuppe essen, im Gegenteil, eher die Angst es nicht zu schaffen. Heute hat sie die Freiheit, ihre Zahnbürstel in Großpackungen zu kaufen und wenn sie etwas vergessen hat, nochmal zum Supermarkt zu fahren und nicht auf den nächsten Wocheneinkauf warten zu müssen.

„Ich finanziere dir kein schönes Leben“, der Standardsatz, der ihr heute noch in den Ohren liegt. Musste er auch nicht, denn sie kann es selber. Herrlich, den Schlüssel von innen ins Schloss stecken und nach einem anstrengenden Tag auf die Couch fallen lassen. Stimmt, Provinzmadame muss mehr arbeiten als vorher, aber das macht ihr nix aus. Sie muss auch kein permanent schlechtes Gewissen haben und sich pausenlos rechtfertigen. Warum? Weil die Vorstellung vom gemeinsamen Leben so weit voneinander entfernt war, wie die Freiheitsstatue vom Großglockner.

Heute lebt Provinzmadame in einer 62qm Wohnung und ist rundum zufrieden, nein, sogar glücklich. Wie steht es mit den Freunden von damals? Tja, einige haben sich verabschiedet, gleich als sie das Haus verlassen hatte. Nein, sogar noch schneller, als die Koffer gepackt waren. Danach entstehen Fronten: GUT oder BÖSE: In diesem Fall, war sie die Böse. Wie kann man das als Fünfzigjährige auch wagen. Als „Alte Schachtel“ – was will sie denn noch?
Auf keinen Fall als Hundertjährige aus dem Fenster springen. Wie schaut es mit einem neuen Partner aus, besteht die Möglichkeit einer Beziehung überhaupt noch? Minimal, aber das war sowieso keine Option, Provinzmadame wollte endlich mal ihre RUHE von den ewigen Streitereien. Ist doch traurig, wenn man schon als Dreißigjährige vor einem Grabstein steht und mit Tränen in den Augen liest: „Da unten ist Frieden“, und denkt, ihrer vielleicht auch?

Erfreulicherweise ergaben sich noch Dates. Auf ihrer Stirn stand auch nicht geschrieben: „SUCHE RETTER“. Provinzmadame lässt es laufen wie ein Radl, denn für sie zählen die Tage. Sollte sie einen Hänger haben, denkt sie ihren Lieblingswitz, wo der Scheidungsrichter das vor ihm stehende neunzigjährige Ehepaar fragt:
„Warum hams denn so lange gewartet?“ – worauf die alte Dame antwortet:
„Wir wollten warten bis die Kinder gestorben sind“ –
Das kostet Provinzmadame heute noch einen Lacher. Ihre Kinder waren zwar erwachsen, trotzdem sollte man nie unterschätzen, wie sehr sie darunter leiden. Am meisten oft, weil sie meinen, sich für „eine Seite“ entscheiden zu müssen.
Es hat ein paar Jahre gedauert und vielleicht ist Provinzmadame für sie immer noch die, die ihrem Vater das Herz gebrochen hat. Ihres aber ist in dieser unglücklichen Beziehung schon lange vorher kaputt gegangen.

© Provinzmadame 2020-06-04

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