Schenkelklopfer des Tages

Jennifer Corazza

von Jennifer Corazza

Story

Inhaberin einer eigenen Firma. Muss wahnsinnig viel Fleiß und MĂŒhe gekostet haben. Oder 99 amerikanische Dollar und der Besuch einer schwindeligen Website, wie in meinem Fall. Corazza Consulting ist bereit, qualitative Beratungsarbeit zu leisten. Worin? Völlig unklar. Womöglich darin, als EuropĂ€erin nicht nach Atlanta auszuwandern, wenn einem die Wahl offensteht.

Die Eröffnung des Unternehmens ein notwendiges Übel – lĂ€sst sich mit einem Touristenvisum kein Bankkonto in den Vereinigten Staaten einrichten und die Arbeitserlaubnis so lange auf sich warten, wie mein positives GemĂŒt, seit ich hier eingetroffen bin. Gehaltsschecks auf ein österreichisches Depot einzahlen? FĂŒr meinen Chef keine Option – will man als wahrer Patriot doch nicht fĂŒr den Wohlstand eines fremden Wirtschaftssystems verantwortlich sein. Dann lieber Korruption statt Kapitulation und ein Besuch beim örtlichen Bankberater des Vertrauens.

Der ist zu meiner Überraschung höchstens zehn Jahre Ă€lter als ich, hispanischer Herkunft und somit in der Nahrungskette Atlantas ganz unten anzutreffen. Apropos: Ich bin angeordnet, nicht zu sprechen, also ĂŒbernimmt mein Chef den Part des Story-Pitch und hĂ€ndigt den Nachweis meiner SelbststĂ€ndigkeit aus. Selfmade Woman umso glaubwĂŒrdiger jetzt. Mental darauf vorbereitet, mich kritischen Fragen des Bankberaters stellen zu mĂŒssen, bringt dessen einzige Äußerung dann nicht nur mich, sondern auch meine ĂŒberschwĂ€ngliche Begleitung aus dem Konzept.

„Möchtest du Jennifer Lopez heißen?“ Dem Chef mit der Halbglatze kann das nicht gelten. Der versucht dennoch so zu tun, als wĂŒrde es sich hier um einen Southern-Insider handeln, den ein Austrian Greenhorn wie ich nicht zu verstehen vermag. Mit geschlossenen Augen und offenem Mund ringt er zu meiner Linken nach Worten. Gedrillt von meiner Einreise und den mehrfachen Besuchen bei der Botschaft weiß ich, jeder noch so blöden Äußerung rasch und niemals mit Sarkasmus zu begegnen. Hat mich die Stellungnahme bezĂŒglich meiner terroristischen Vergangenheit am Einreiseschalter Atlantas schon genug in die Bredouille gebracht. Also erlöse ich meinen Chef, sage „Nein“ und bin versucht, ein „Sir“ dranzuhĂ€ngen, um ganz im Sinne der amerikanischen Rechtschaffenheit zu agieren. Der Bankberater fĂ€ngt an zu lachen, stempelt meine KontobestĂ€tigung ab und ĂŒberreicht sie mir. „WĂ€re auch zu schön gewesen“, gibt er mir auf den Weg und zeigt auf sein Namensschild, auf dem Felipe Lopez steht.

© Jennifer Corazza 2022-06-30

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