Und ich kann die Scherben wieder einmal zusammenkehren, grummelte ich beim Fegen meines persönlichen Mikrokosmos so vor mich hin. Aber was hatte ich erwartet, die halbe Welt liegt in Scherben und meine kleine Welt bleibt unversehrt? Wie oft ist die Menschheit schon vor dem Scherbenhaufen der Geschichte gestanden?
Wie könnten globale Aufräumungsarbeiten aussehen? Ich stelle mir einen riesengroßen Magnet im Weltall vor, der die Kriegstreiber, Waffenschieber, korrupten Politiker, Krisengewinnler, Wendehälse und sonstiges Gesocks anzieht und im All verglühen lässt. Ihr Widerschein würde auch noch von der Erde aus als Hoffnungsschimmer sichtbar sein und die Herzen der Menschen leicht machen. Diese Gedankengänge relativierten mein Selbstmitleid und als brave Müll-Trennerin beginne ich den Kehricht genau zu inspizieren. Er hat einiges an Diversität zu bieten. Einige kleine Herzsplitter, schillernde Reste zerplatzter Träume, geronnenes Herzblut, zerrissene Geduldsfäden, ein verloren geglaubter roter Faden, Brotkrumen, Wollmäuse, Haarknäuel, eine Eincentmünze, etwas Kaffeesatz, ein paar Reiskörner, eine vertrocknete Zitronenzeste, eine verbogene Büroklammer.
Weitere Wortschnipsel: KÖNIGIN, Haltungsübung, Hoffnungsschimmer, Glitzerstaub, Glättungsspray. Ich bin sehr vorsichtig mit meiner Wortsammlung, doch immer wieder fallen einige Schnipsel unter den Tisch, werden vom Wind erfasst oder bleiben an meiner Kleidung haften.
Ein Stück Plastik, wie von einer Schiene, ich muss lange nachdenken, dann fällt mir ein, dass das Fragment von der Küchenlade stammt, die sich verklemmt hatte, wo mir dann der Geduldsfaden (siehe oben) riss und ich mit Gewalt an der Lade so lange rüttelte, bis es krachte. Da musste dann ein Profi ran, Gott sei Dank, habe ich einen freundlichen Tischler in meinem Freundeskreis, der meine Lade in Windeseile wieder repariert hat. Ein orangefarbener Haargummi, dieses Utensil liegt bei mir oft am Boden, ich stecke immer einen ein, sodass ich jederzeit meine Haare aufstecken kann, wenn mir plötzlich heiß wird. Da ich auch noch mit einer Tropfnase gesegnet bin, brauche ich auch ständig Taschentücher, die ich auch einstecke, da fällt schon mal ein Haargummi oder ähnliches aus der Tasche. Ich versuche aus den Überbleibseln meiner jüngsten Geschichte ein neues Bild zusammenzusetzen, das mir erlaubt aus alten Mustern auszubrechen, um die Scherben als Mosaik in einem anderen Licht zu betrachten.
Gut, dass ich mit dem alten Rosshaarbesen gekehrt habe und nicht mit dem Staubsauger, denn der hätte mit seinem Lärm keine Geschichte in mir keimen lassen.
© Christine Hagelkrüys 2023-11-19