Scherbenhaufen

Anna Dieckbreder

von Anna Dieckbreder

Story
2008 – 2022

Ich darf nicht zusammenbrechen. Ich muss die Schule schaffen. Das Studium schaffen. Den Haushalt. Freundschaften pflegen. Beziehungen eingehen. Arbeiten. All diese Dinge, die alle anderen auch machen. Doch es fällt mir so schwer. Ich schaffe es nicht alleine. Meine Überforderung gleicht einem tiefen schwarzen Loch.

„Die anderen können das komischerweise ohne sich so sehr anzustellen, dann wirst du das wohl auch hinkriegen.“

Aber es ist alles so schwer. Es kostet mich meine ganze Kraft, am Morgen aufzustehen, den Tag zu bewältigen und am Abend wieder ins Bett zu gehen, um die ganze Nacht wachzuliegen. Egal, wie müde ich bin. Jedes Geräusch erzeugt ein Gefühl und die Gefühle sind so überwältigend und ich kann sie nicht zuordnen.

Was fühle ich?

Es ist egal, was ich fühle. Hauptsache, ich funktioniere und bin keine Last.

„Niemand mag wehleidige Menschen, hör auf zu jammern.“

Mein Zustand besteht aus purer Überforderung.

All diese Gefühle, die so in mir brennen wie ein Feuer. Es ist so viel Verschiedenes und gleichzeitig kann ich es nicht zuordnen. Alles, was bleibt, ist Frust. Wut. Wut auf mich, Wut auf die Anforderungen, die ich nicht erfüllen kann. Wut auf alles und jeden.

All die ungefilterten Reize, die konstant auf mich einprasseln. Geräusche. Lichter. Ein Tinnitus, der schwankt, wie er es will und nie ganz verschwindet. Die Stimmen derjenigen, die mir meine Lebensrealität absprechen. Meine Schmerzen. Meine inneren Qualen.

All die Anspannung, die wie ein Feuer durch meine Schultermuskulatur zieht und mich für einige Minuten physisch lähmt. Diese unerträglichen Schmerzen sind das einzige, was mir zeigt, dass ich ein Mensch bin. Kein Roboter. Kein Dämon. Ein Mensch, der in einer unsichtbaren Hölle lebt.

Ich versuche, alles in Balance zu halten. Mein Leben nicht zusammenbrechen zu lassen. Einen kompletten Zusammenbruch kann ich mir nicht erlauben. Denn ich weiß ja:

„Dir geht es gut.“

Nein. Es ging mir nicht gut.

Seidene, beinahe unsichtbare Fäden hielten über 15 Jahre meine verschiedenen Lebensbereiche zusammen. Irgendwann brachte ein Tropfen das Fass zum Überlaufen. Die Fäden rissen. Alles brach auseinander und ich stand vor den Scherben meiner Existenz. Ich konnte nicht mehr funktionieren. Nicht ohne Hilfe. Nicht alleine. Ich brach zusammen, genau wie die Welt um mich herum.

© Anna Dieckbreder 2024-08-19

Genres
Biografien
Stimmung
Dunkel, Emotional, Reflektierend, Challenging
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