Schicksal

Envious

von Envious

Story

Wenn das Schicksal anklopft, dann bin ich kein Mensch, der freundlich lächelnd öffnet und zum Kaffee einlädt. Es ist wie ein Freund, der die ganze Zeit so tut, als wolle er nur das beste für dich, wenn er dir zu einer Trennung rät, aber sobald du dann getrennt bist, macht es sich an deinen Ex ran. Es ist dieser Nachbar, der immer freundlich lächelt, aber nach der Gartenparty nach Hause geht und mit seiner Frau darüber lästert, was für ein schreckliches Kleid du doch anhattest.

Was auch immer das Schicksal vorhat, man darf es niemals aus den Augen lassen. Denn es denkt, es wüsste es besser und es täte dir ja nur einen Gefallen, aber in Wirklichkeit macht es sich absolut keine Gedanken darum, wie die Umstände sich verhalten. Und wenn etwas schiefgeht, dann war es ja nur eine ‚Lektion‘ und beim nächsten Mal wird es besser.

Wir kennen uns also, nicken uns einmal mit gewisser Verachtung zu, als es Mal wieder unangekündigt vor meiner Türe steht. Ich ziehe den Bademantel enger, dann seufze ich und frage:
„Was willst du schon wieder?“
Es lehnt sich entspannt an den Türrahmen, Arme vor der Brust verschlossen, grinst mich an. Dann holt es sein Notizheft aus der Hosentasche. Wir beide wissen, dass der Großteil der Ideen Müll ist und wir wissen auch, wie gut der Rest davon bis hier funktioniert hat. Ich drücke ihm eine Zigarette in die Hand, finde nach kurzer Zeit mein Feuer und stecke mir ebenfalls eine an. Zusammen rauchen wir, ich tue so als würde ich dem, was es sagt, interessiert zuhören.

Irgendwann sieht es empört auf:
„Du gibst mir ja nicht einmal die Chance, dich zu überzeugen!“
Nach Jahren, in denen ich die andere Seite zur Perfektion gespielt habe, finde ich mich in der Position des Anklagenden: 
„Ich habe dir lange vertraut, aber nach der letzten Idiotin bin ich nicht bereit dich auch nur über die Wahl der Menge an Zucker in meinem Kaffee entscheiden zu lassen!“ 
Es zieht die Augenbrauen zusammen, dann grinst es wieder, macht Fingerpistolen in meine Richtung und schnalzt mit der Zunge: 
„Aber du hast daraus gelernt!“
„Einen Scheiß hab ich gelernt!“, ich stoße die Wohnungstür weiter auf, „Siehst du das? Das ist der Müll der letzten vier Wochen, weil ich es nicht einmal mehr schaffe mich von den Krabbeltieren bedroht zu fühlen!“ 
Kurz sieht es so aus, als hätte ich es überzeugt, das Gefühl des Triumphs macht sich in mir breit. Ich ziehe die Türe weiter zu und dabei aus Versehen ins Schloss. Das Klicken lässt mir zuerst einen heißen, dann einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Nach einem Griff in meine Tasche ist klar: Zurecht. 

Nur langsam drehe ich mich um, das Schicksal grinst mich an, dann zuckt es mit den Schultern. 
„Es war schön, mit dir zu plaudern!“ 
Bevor ich etwas sagen kann, löst es sich vor mir in Luft auf und das einzige das mir bleibt ist ein flaues Gefühl im Magen und Motorengeräusche eines herannahenden Autos. 

© Envious 2023-08-31

Genres
Anthologien
Stimmung
Komisch, Hoffnungsvoll