Grinsend sitze auf meinem Fahrersitz, schaue auf mein Handy und tippe etwas in mein Instagram Directmessage Fenster ein. Eigentlich wollte ich mein Auto sauber machen, eine der wenigen Aktivitäten, die draußen an der Luft gingen und ohne Menschenkontakt möglich waren. Ein paar Wochen waren seit dem Gespräch mit meiner Mutter vergangen, und ich kam ganz gut klar, in meiner kleinen aber feinen isolierten Blase. Kurz nach dem Gespräch mit meiner Mutter hatte ich mit meinem Freund, jetzt Ex-Freund, Schluss gemacht. Das Gespräch hatte mir vor Augen geführt, was mir wirklich wichtig ist und was ich will in einer Partner:innenschaft – und diese wollte ich nicht mehr. Ein bisschen Schlecht fühlte ich mich schon, fiel mir der Abschluss doch ein bisschen zu leicht. Innerlich hatte ich anscheinend wirklich schon seit einem halben Jahr abgeschlossen. Und dieses Mal, dieses Mal schaute ich wirklich nur nach mir. Die neu gewonnene innerliche Freiheit ließ mich aufblühen, ich hatte neue Motivation, und außerdem tat mir der Ausschluss vom wöchentlichen Trink-Treffen mit meinem Freund:innenkreis tatsächlich recht gut. Die letzten Ibuprofen waren auch schon eine Woche her. Ich schloss die Augen, atmete die frische Frühlingsluft ein. Als ich sie wieder öffnete, schaute ich direkt auf sein Profilbild. Er ist Soldat und wohnt grade aufgrund des Virus in der Kaserne in Aachen. Und er ist so unfassbar lieb. Es tat so gut, mit ihm zu schreiben, es war seit ganz langer Zeit eine ganz andere Ebene der Gesprächsführung – intensiv tiefgründig und ehrlich interessiert. Eigentlich hatte ich mir selbst geschworen, erstmal als Single unterwegs zu sein. Die übermenschlichen Sensoren meiner Mutter sind heute Mittag direkt ausgeschlagen, als sie meine Gemütsveränderung am Essenstisch bemerkt hat. „Oh oh“, murmelt meine Mutter, ein verschwörerisches Lächeln auf den Lippen, wissend. Ich schüttele den Kopf und hole mich damit zurück in die Gegenwart. Er würde sich gern mit mir treffen und mich kennenlernen. Als ich ihm von meiner Krankheit erzähle und das ich aktuell eher isoliert lebe, erlebe ich seit Wochen, wenn nicht sogar Jahren ein Gefühl des Verständnisses von Außenstehenden. Er lebt aktuell selber isoliert und würde, bevor er zu mir kommt, einen Test machen. „Komm schon Gina“, denke ich mir, „sicherer geht es jawohl nicht.“ Also verabreden wir uns zu Spaziergängen für die nächsten Tage – und meine Hoffnung kehrt zurück. Dieser Mensch, der neu in mein Leben getreten ist, den ich vorher nicht kannte, gibt mir unfassbar viel Hoffnung und gute Gespräche. Und wir sind uns bewusst, dass da etwas zwischen uns ist. Eine Verbundenheit, ein Verständnis, Augenblicke, in denen wir uns anschauen und einfach nur verstehen und annehmen. Bei unserem vierten Spaziergang hat er eine Rose für mich dabei. Mein Herz droht in meiner Brust zu zerspringen, die Schmetterlinge sind wieder da, ich wusste gar nicht mehr, wie sich das anfühlt! Wir parken an einem See und gehen ein gutes Stück, bis wir an einer Trauerweide stehen bleiben und auf den See schauen. Und im nächsten Moment denke ich mir – was habe ich zu verlieren? „Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt“, sage ich und schaue zu ihm hoch. Seine Augenbrauen wandern nach oben und ein Lächeln bildet sich auf seinen Lippen. „Und ich glaube, ich habe mich auch in dich verliebt“, erwidert er. Da stehen wir – zwei Seelen, die sich nicht gesucht und doch gefunden haben.
© Gina de_Jesus_dos_Santos 2023-11-16