Schneeflocken

Heute schreiben wir den 2.Dezember, die Landschaft wird mit einer weißen Decke überzogen und ich ziehe Mantel und Stiefel an, lege mir einen Schal um den Hals und trete vor die Tür.

Die Schneeflocken tanzen ihren letzten Walzer und legen sich leise und sachte auf die Erde, so als wollten sie den Boden küssen. Die kahlen Felder und die braunen Wiesen, die schmutzigen Straßen und die Dächer der Häuser werden mit der weißen Pracht zugedeckt, die Spuren des Alltags verschwinden. Sauber und rein ist nun die Welt, ohne dunkle Flecken und ohne kahle Stellen, gleichmäßig mit den unschuldigen Schneeflocken überzogen.

Ich denke an das Weihnachtsfest, das Fest der Liebe.

Ich bleibe vor dem Haus stehen, die Hände in den Manteltaschen versteckt und beobachte aus der Ferne das bunte Treiben auf dem Stadtplatz, die Menschen laufen mit Tüten bepackt über den Platz, den Kopf gesenkt und ich denke mir, kein Interesse für dieses schöne Naturspektakel – den ersten Schneefall.

Ich stehe immer noch vor der Haustüre und genieße den Blick der tanzenden Schneeflocken. Ich schaue in den Himmel und eine Schneeflocke bleibt auf meiner Wimper hängen, einige Sekunden lang und läuft dann als Tropfen über meine Wange, ich muss lächelnund die Welt versinkt unterdessen unter einer unschuldigen weißen Schneedecke. Es könnte alles so unschuldig und friedlich sein, doch die Menschen, sie bringen Hektik und Unruhe, mit ihren Forderungen und Wünschen in diese Stille, sie hinterlassen Abdrücke auf dem weißen Teppich, sie zertrampeln die glatte Oberfläche. Kreuz und Quer verlaufen diese Spuren, hin und her, ohne Muster und ohne Ziel. Die Menschen greifen nach den Sternen, obwohl abertausende kleine weiße Sternchen unter ihren Füßen liegen, sie bemerken sie nicht. Zu eingeschränkt ist ihre Sicht. Der Zauber der weißen Pracht wird zunichte gemacht.

Ich marschiere los, überquere den Stadtplatz, lächle in mich hinein, bin glücklich und erreiche den nahen Park. Ich bleibe stehen, blicke mich um und erkenne, ich habe auch Spuren in der weißen Landschaft hinterlassen.