Schneeflockiges…

Giggu

von Giggu

Story

Jeden Winter in meiner Kindheit, wenn die ersten Schneeflocken vor dem Fenster tanzten, stellte mich meine Mutter auf das breite Fensterbrett und wir sahen den wirbelnden, tanzenden Schneekristallen zu. Die Straße unter unserem Fenster wurde langsam weiß. Straßenlärm und Stimmen hörten sich wie in Watte gewickelt an. Während unseres beschaulichen Staunens zählten wir an den Fingern ab, wie oft ich noch schlafen musste, bis das Christkind kam.

Einen Brief an das Christkind konnte ich damals noch nicht schreiben. Es hätte auch wenig Sinn gehabt, große Wünsche zu äußern, weil ich schon mitbekommen hatte, dass wir – es war die Nachkriegszeit – sehr bescheiden leben mussten. Ich empfand diese Einschränkung nicht so schlimm, weil sich meine Eltern doch immer eine nette Kleinigkeit als Geschenk für mich einfallen ließen. Meist selbstgebasteltes Spielzeug, das ich sehr mochte. Vom Christkind meiner Oma väterlicherseits, bekam ich jedes Jahr etwas Gestricktes. Davor fürchtete ich mich schon! Das Christkind meiner Oma brachte entweder kratzige Socken oder, noch schlimmer, gestrickte Unterhosen mit sichtbarem Einziehgummi. Ich weiß nicht, was sich das Himmlische Kind dabei dachte.

Aber bis zum Hl. Abend war es noch lange hin. In meiner Kindheit gab es, auch in Wien, schon ab November Schnee.

Als ich später schon die Volksschule besuchte, brauchten wir für den Schulweg länger als sonst, wenn Schnee lag. Unser Schulweg führte durch den winterlichen Park und da kann man als Kind gar nicht anders: Mit “Hurra” zur Schneeballschlacht!

Zuhause wurde ich “trockengelegt”. Meine langen Haare, die zu Zöpfen geflochten waren, trieften vor Nässe, trotz der Haube. Ich mochte meine Zöpfe nicht. Fast alle Mädchen trugen ihre Haare schon kurz, als “Bubikopf”. Aber ein Friseurbesuch war angesichts der angespannten finanziellen Lage nicht möglich. Mir half das Raunzen über meine Zöpfe nichts. Mutter traute sich nicht zu, mir die Haare immer selbst bubikopfmäßig zu schneiden.

Zu dieser Zeit wäre ich schon in der Lage gewesen, einen Wunschbrief an das Christkind zu schreiben, in dem ich um ein kleines Wunder in Bezug auf meine Frisur ersuchen hätte können, nur erhärtete sich mein Verdacht, dass das Himmlische Kind nicht wirklich persönlich vorbeikommt. Außerdem, wusste ich bald, ist es auch nicht verantwortlich für die Lieferung gestrickter Unterhosen – noch dazu in hellblau.

Es war in der vierten Volksschulklasse, als wir in der Adventzeit das Krippenspiel einstudierten. Knapp vor Weihnachten war die Aufführung angesetzt, die auch die Eltern und Großeltern besuchen konnten. Zu diesem Zeitpunkt schloss ich einen Weihnachtsfrieden mit meinen ungeliebten Zöpfen.

Ich trug meine langen Haare offen. Und ich war das glücklichste Kind! Denn: Man hat mich wegen meiner langen Haare für eine wichtige Rolle im Krippenspiel ausgesucht: Ich durfte die MARIA spielen!

© Giggu 2020-12-01

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