Schneetreiben

Tobias Prett

von Tobias Prett

Story

Obwohl die Sonne direkt über ihnen am Himmel stand und sie blendete wie an schwülen Sommertagen, war es kalt. Vom Fluss, wenn man achtsam seinen Blick über das Wasser schweifen ließ, konnte man den Dunst sehen, wie er sich vorsichtig an der gespiegelten Oberfläche schlängelte, er erinnerte an Spinnennetze. Paul wollte nicht zugeben, dass er ebenso wie Luisa fror und gab ihr auf ihre Bitte hin, seinen Schal. Der Boden des alten Boots welches sie vor ein paar Tagen, an einem entlegenen Teil des Flussufers, gefunden hatten, war nicht ganz dicht und eine dünne Eisschicht hatte sich auf dessen Planken gebildet. Den Blick in den unwirklich blauen Himmel gerichtet, lagen sie nebeneinander und schwiegen. Ihre Köpfe waren so nah beisammen, dass das Kondenswasser ihres Atems sich vermischte und verschwamm. Luisa drehte den Kopf nach links zu Paul und wollte etwas sagen, ihre Lippen formten schon die ersten Worte, ließ dann aber davon ab. „Was ist los?“, Paul bemerkte Lisas Regung. Luisa richtete sich auf und stützte sich nach hinten auf ihre Arme ab „Ist das hier Realität?“. Sie beobachtete das kristallene Funkeln im Schnee, das klischeehaft an Diamanten erinnerte, sah die weißen Berggipfel, die nur aus Zucker oder Watte sein konnten, roch die Kälte, sog die eiskalte Luft in sich hinein, und schloss die Augen. „Kommt ganz darauf an“. Aus dem Wald klang das Bersten eines Baumes, der unter den Schneemaßen erdrückt wurde. Das Boot trieb wie eines der gefrorenen Eichenblätter am Wasser. Die feuchte Kälte ließ Luisas lange Wimpern kristallisieren, die wie winzig kleine Eiszapfen wegstanden und das Licht der kalten Sonne schillernd einfingen. Paul richtete sich ebenso auf, hob seine Hand, griff sanft Luisas Nacken und drückte seine Stirn auf ihre. Beide schlossen die Augen, ein Lachen zeichnete sich auf ihren Lippenpaaren. Sie kamen sich so nahe, dass ihre kalten Nasen sich berührten und Luisa kurz erschrak da sie nicht wusste welche kälter war. So saßen die beiden regungslos, wie eingefroren da und ließen sich den stummen Fluss, der sich nicht traute die Stille und Spannung zu durchbrechen, hinuntertreiben, ganz ohne jegliche Kälte zu spüren.

© Tobias Prett 2021-08-15