von Emma Breuninger
Am 26. August 1972 begannen die Olympischen Sommerspiele, oder genauer gesagt die Spiele der XX. Olympiade. Wenn man in Ausbildung ist, hat man nicht so viel Geld, um sich die doch relativ teuren Eintrittskarten zu kaufen, besonders zu den wichtigsten und schönsten Veranstaltungen wie zur Eröffnungs- und Abschlussfeier. Ich sah mir die Eröffnungsfeier im Fernsehen an, gemütlich auf der Couch sitzend bei Tante und Onkel. Draußen schien die Sonne, es war ein wunderschöner Tag. Wie schön wäre es doch, jetzt im Olympiastadion sitzen zu können und alles live mitzuerleben, die Atmosphäre zu spüren, zu atmen. Schon ein seltsames Gefühl, nur wenige Kilometer vom Geschehen in einer kleinen Wohnung eingesperrt das Spektakel auf dem Bildschirm zu verfolgen.
Es sollten fröhliche, unbeschwerte Spiele werden, und sie wurden es, bis eines Tages, genauer gesagt, eines Nachts, sich schlagartig alles änderte – mit dem Terroranschlag am Morgen des 5. September. Doch über dieses tragische Ereignis möchte ich hier nicht schreiben. Nein, ich möchte davon erzählen, wie es vor diesem 5. September war. Die Stimmung in der Stadt war fröhlich, locker, aufregend. München freute sich, die Welt bei sich begrüßen zu können. Schon in den Wochen zuvor fieberten alle auf dieses Ereignis zu. Und als es endlich losging, wurde die Stimmung noch euphorischer.
Ich war im dritten Jahr meiner Ausbildung. Mit einigen Mitschülerinnen, alle im Dirndl echt bayrisch gekleidet, gingen wir ins Hofbräuhaus. Dort war es sehr voll, wir fanden nur einen Platz in der oberen Etage. Die Stimmung war nicht wie erhofft. Wir beschlossen zu gehen.
Auf dem Weg hinaus kamen wir an einem langen Tisch vorbei, an dem junge Männer saßen. Einer rief uns zu: „He, wo wollt Ihr hin, kommt doch zu uns, setzt Euch hierher“.
Kurz entschlossen machten wir das. Es waren junge Finnen, die den Sieg eines finnischen Läufers feierten, der gerade eine Goldmedaille gewonnen hatte. Der Junge neben mir sprach sehr gut Deutsch. Auf dem Tisch lag eine Abendzeitung, vorne mit großen Buchstaben der Titel „Die Finnen laufen allen davon“.
„Sag, was bedeutet das? Ich verstehe es nicht ganz“, sagte mein Tischnachbar. Ich überlegte, wie kann ich das am besten erklären? „Das heißt: Die Finnen sind schneller wie die anderen“, sagte ich.
Er drehte sich zu mir und fragte erstaunt: „Schneller wie??? Nein, schneller als…!!!“
O weia, da hat mich jetzt tatsächlich ein Ausländer in meiner eigenen Muttersprache korrigiert. Nun ja, in Süddeutschland gehört zur Steigerungsform nun mal „wie“, aber korrekt ist „als“.
Habe mir sagen lassen, dass man in Österreich teilweise „als wie“ sagt (damit ist man dann auf der ganz sicheren Seiten :-).
Bis heute fällt mir auf, wenn jemand „wie“ statt „als“ sagt und immer muss ich amüsiert an diesen jungen Mann aus Finnland denken, der mich korrigiert hat.
© Emma Breuninger 2020-09-25