Um halb sechs öffnet sich die Tür. Nicht zaghaft. Guten Morgen, Aufstehen, wir machen das Bett. Ich bin schon wach, habe darauf gewartet. Äußerlich entspannt, innerlich angespannt, etwas verspannt. Das harte Bett ist schuld daran. Dafür spielt der Homer in mir Bettchen rauf und Bettchen runter. Kein Frühstück, einzig eine Tablette und ein Schluck Wasser. Um zehn nach sechs einnehmen, dann warten. Ich warte aber jetzt schon. Die Rache der Magd vertreibt das Warten. Tablette rein, Bettchen runter, Wurschtigkeit.
Dämmernd öffne ich die Augen, alles gut. Wir fahren. Rein in den Lift, Smalltalk, der mir entfallen ist. Entlang in einem Labyrinth, die Pille tuscht, schemenhafte Wesen leiten mich. Grell fällt das Licht in den Saal, ich bin einer von acht. Rechts hinten werde ich abgestellt, sedierte Körper neben mir. Ich bin der jüngste und frischeste in der bunten Runde. Gebrabbel von den Liegenden, klare Worte von den Stehenden. Ich fühl mich gut. Munter und aufgeregt, aber irgendwie weniger verkrampft. Tja, die Wurschtigkeit.
Weiter. Die Augen starr offen und mittlerweile bei bester Laune. Wann hast denn die Tablette genommen? Um zehn nach sechs, genau, wie sie mir das gesagt hat. Augenverdrehen. Na super, denk ich mir. Bettina, meine Begleitung auf der Reise in den OP, merkt, wie wach ich bin. Was soll`s, so kann ich wenigstens beim Umschichten mithelfen.
Von einer Trage auf die nächste. Mein kesses Kleidchen weht herum. Aufsetzen, jetzt könnte es ein wenig weh tun. Eine Verniedlichung vor dem Herrn, die Wurschtigkeit lässt nach. Angespannt, gar verkrampft, richte ich mich auf. Gerätschaften und grelles Licht, Mundschutz an Mundschutz und dazwischen wird eine Nadel hochgezogen. Kreuzstich. Vereisen, es zieht, es zwickt, ich weiche instinktiv weg. Ruhig sitzen bleiben und Katzenbuckel machen. Getan wie mir geheißen, hochgradig unangenehm.
Wieder flach, der erste Schock ist weggespritzt. Bettina spricht mir zu, ich hab ihre Hand fest gedrückt. Mein Zugang in der Armbeuge wird bearbeitet, etwas kühl fließt es in mich hinein. Ich bekomme noch große Ohrhörer und der Kratky läutet die acht Uhr Nachrichten ein. Freundliche Augen blicken mich an, dann wird ein Tuch hochgezogen, mein Kleidchen wird weggeschoben und vage bekomme ich noch mit, wie eine Art Bohrer betätigt wird. Das Knie wird berührt, aber mehr spüre ich schon nicht mehr.
Ö3 Nachrichten, es ist neun. Oh, ich bin ja noch immer da. Die nächsten zwei Stunden vegetiere ich in einem Zustand aus Wachsein und Schlaf dahin. Bekannte Lieder klingeln, im Knie geht es zu. Geräte werden betätigt, die Beine bewegt. Aber keine Schmerzen. Kurz nach elf wird mein Fuß mit Schleifpapier (gefühlt) gereinigt. Ich schwitze am ganzen Körper. Immer wieder habe ich aufgeblickt und Bettina hat aufgedreht, den Zugang strapaziert.
Schwebend komme ich in den Aufwachraum. Freundlichkeit von mir und von allen Seiten. Ich bekomme ein Mittel, den Sauerstoff direkt in die Nase und schlafe ein.
© Thomas Schützenhöfer 2020-11-10