Schnurrli auf dem Wurstkarton

Marianna Vogt

von Marianna Vogt

Story

Die SchĂŒler der Kunstgewerbeschule hatten Unterricht im Freien.

GemĂ€ss Ausschreibung wĂŒrde zuerst gegrillt, danach ein Kunstwerk aus den SchĂ€tzen der Natur erschaffen. Ausser Ideen, wie man ein Feuer ohne Streichhölzer entfacht, und gute Laune brĂ€uchten die Studierenden nichts mitzunehmen. FĂŒr Farben und Bastelutensilien sei gesorgt, hiess es.

Die dĂŒnnen Äste und die kleinen Holzscheiten waren schnell zusammengetragen und aufeinander geschichtet. Nur Brennen, wollte das Feuer um alles in der Welt nicht. Es gab zwar verschiedene VorschlĂ€ge, aber alle waren zum Scheitern verurteilt. Es klappte weder mit der Batterie, noch mit der Lupe, der Aludose und auch nicht mit der Plastikflasche. Zum GlĂŒck hatte Frau Grosshans vorgesorgt und Streichhölzer fĂŒr den Notfall mitgenommen.

Sie hatten einen Mordsspass und wussten nach dem Essen gar nicht mehr, was ihre eigentliche Mission war. WĂ€hrend die anderen sich bemĂŒhten, «Zutaten» fĂŒr ihre Kunstwerke zu sammeln, holte Jo die Wasserfarbenpallette und Stifte, fĂŒllte den Plastikbecher am Brunnen mit Wasser und strich einige Lagen rosa Acrylfarbe ĂŒber den mit fett getrĂ€nkten Wurstkarton, bis man die Flecken nicht mehr sah. Dann zeichnete er mit Filzstiften und wenigen Strichen seinen Kater, den Schnurrli, in seiner Lieblingsposition. Frau Grosshans war total von Jo’s Idee begeistert, den Wurstkarton fĂŒr ein Kunstwerk zu «missbrauchen»: «Gratulation Jo, das hast du sensationell hinbekommen. Ich wage zu sagen, dass du den Kater angelehnt in naiver Malerei gemalt hast.» «Vielen Dank fĂŒr Ihr Lob, Frau Grosshans. Warum sollte ich in die Ferne schweifen, wie meine Schulkollegen, wenn das Gute vor der Nase auf dem Tisch liegt?», erklĂ€rte sich Jo und grinste sie dabei spitzbĂŒbisch an.

Titelbild: Hans KrĂŒsi (1920 – 1995)

Kater auf Wurstteller undatiert

Acryl und Filzstift auf Kartonteller

Hans KrĂŒsi wollte gerne GĂ€rtner lernen, aber seine Schulbildung reichte nicht dafĂŒr, so arbeitete er als Knecht und als GĂ€rtnergehilfe und verdiente nur sehr wenig Geld. 1948 machte er sich als BlumenverkĂ€ufer selbststĂ€ndig und verkaufte ĂŒber 30 Jahre an der ZĂŒrcher Bahnhofstrasse Blumen. Ich glaube mich zu erinnern, ihn einmal dort mit seinem schönen, mit Blumen geschmĂŒckten schwarzen Hut gesehen zu haben. Hans KrĂŒsi experimentierte gerne. Er hatte viel Fantasie und arbeitete mit jedem Material, welches er fand. Er hat Tausende von grossen und kleinen Kunstwerken gemacht.

1992 erhielt Hans KrĂŒsi den Auftrag, einen Velowagen fĂŒr die Appenzeller Bahnen zu bemalen. Das «Blumenmannli» arbeitete sich zum «Genie der Straße» empor.Im Rahmen des 75. Geburtstages der Migros, liess diese im Jahr 2000 eine Reihe Schweizer KĂŒnstler Einkaufstaschen gestalten. Seine eingereichte Idee wurde angenommen und alsbald konnte man seine EinkĂ€ufe in einem echten KrĂŒsi nach Hause tragen.

Ein wirklich bemerkenswerter KĂŒnstler – der Hans KrĂŒsi.

© Marianna Vogt 2022-05-03

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