So sah mein Mann Reiner bis Donnerstag aus. Am Karfreitag klagte er plötzlich ĂĽber starke Kopfschmerzen. Am Samstag hatte er sehr hohes Fieber, wollte nichts essen, nichts trinken. Ein Covid – Schnelltest war negativ. Ich machte Wadenwickel, gab Hausmittelchen. Am Ostersonntag bekam er kaum Luft. Ich rief 116117, war lange in der Warteschleife, bis jemand die Daten aufnahm und versprach, einen Arzt zu schicken. Verzweifelt wartend saĂź ich an seinem Bett, hielt seine Hand, kĂĽhlte seine Stirn. Da er nicht mehr in der Lage war zur Toilette zu laufen, war eine Flasche unser Notbehelf. Endlich kam der Arzt. Er ging bei allen Untersuchungen sehr gewissenhaft vor. Da alle ermittelten Werte desaströs waren und Reiner mittlerweile nicht mehr ansprechbar war, verordnete er eine sofortige Einweisung ins Krankenhaus. Verdacht auf LungenentzĂĽndung. Reiner kam in die Notaufnahme der Klinik. Dass meine Nacht furchtbar war, kann man sich vorstellen. Voller Angst rief ich in der FrĂĽh im Krankenhaus anrief und wollte wissen, wie es meinem Mann ging. Den Arzt könne ich nicht sprechen, sagte man mir, weil viel zu tun sei, aber mein Mann sei ja bereits auf dem Nachhauseweg.
Wie bitte?
Ich konnte es nicht fassen!
Und dann brachten 2 Sanitäter bei eisiger Kälte einen kaum ansprechbaren, halbnackten Mann mit vollkommen nasser Hose. Eine Windel klebte am Rücken. Ich war entsetzt. Man schleifte Reiner die Treppen hinauf, setzte ihn aufs Bett, wo er sofort nach hinten kippte und ließ mich mit einem vollkommen apathischen und rasselnd atmenden Mann zurück, den ich mit großem Kraftaufwand in eine Liegeposition zog. Als ich den Entlassungsbrief ansah, konnte ich nicht glauben, was ich las, denn alles klang anders, als ich es erlebte und als es der Arzt am Vortag beschrieben hatte.
Im Krankenhaus hatte man festgestellt, dass Reiner eine heftige Covid Infektion hat und „nach strukturierter körperlicher Untersuchung wach, ansprechbar und orientiert sei. Der Thorax sei unauffällig, aber er hatte zeitweise das Vorhalten von Sauerstoff per Nasenbrille benötigt und da man nicht von einer bakteriellen Superinfektion ausgehe, wĂĽrde man ihn im stabilen Zustand entlassen. Er solle allerdings inhalieren mit NaCl3% ĂĽber den Tag verteilt mit Ipratopiumbromid, O2 per Nasenbrille und ein Antibiotikum einnehmen.“
Ich dachte, ich drehe durch! Es war Ostermontag! Wo sollte ich das alles herbekommen, noch dazu ohne Rezept? Ich rief im Krankenhaus an und … bekam keinerlei Hilfe. Auch die Krankenkasse fĂĽhlte sich nicht zuständig. Da mein Mann immer stärker röchelte, versuchte ich es wieder unter 116117. Man schickte eine Ă„rztin, die total wĂĽtend war, dass man einen schwerstkranken Patienten heimgeschickt hatte. Sie verordnete eine sofortige RĂĽckeinweisung und alles begann von vorne. Am Abend rief ein Arzt an, sagte, dass Reiner sehr krank sei und von Kempten nach Immenstadt verlegt werden wĂĽrde. Ein paar Tage später verstarb er. Es ist mehr als ein Jahr her. Ich vermisse ihn unsagbar!
© Elisabeth Grosch-Waclowsky 2023-04-12