Schon Italien, oder doch nicht?

JanGroenhain

von JanGroenhain

Story

In den letzten beiden Jahren war Sommerurlaub in Österreich angesagt. Diesmal sollte es wieder ein Stück weiter weg gehen. Eine Flugreise war außer Diskussion, um dem Flugchaos zu entgehen. Das Meer ebenso, wo es doch heuer dort überall so heiß war und ich die Schwitzhitze nicht sehr schätze. Aber ein wenig Süden und Italienfeeling würde schon guttun.

So fiel die Wahl auf den Luganer See. Der liegt zwar hauptsächlich im Schweizer Tessin, aber zumindest wird dort Italienisch gesprochen, und zudem hat er zwei italienische Zipfel. Das klang perfekt. Und da ringsum viele Berge sind, würde es dort wohl etwas kühler sein und wir könnten Wander- und Mountainbiketouren unternehmen.

Eine Fehleinschätzung! Der See ist nicht nur tief, er liegt auch ebenso, und so waren die Temperaturen nicht viel tiefer als im Süden. Immer zwischen 32 und 37 Grad! Sowohl beim Biken wie beim Wandern badeten wir nach kurzer Zeit, im eigenen Schweiß. Dafür war der See, trotz seines fjordartigen Gehabes, angenehm zum Abkühlen und Abtauchen geeignet. Aber am Ufer so steil, dass mir das Wasser schon nach vier Metern bis zum Hals stand. Unser Hotel lag auf der italienischen Seite, ausgestattet mit etwas morbidem Charme und ein paar kleinen Unzulänglichkeiten. Uns hat’s gefallen.

Mehrmals pendelten wir zwischen Italien und der Schweiz, um die Charmedifferenzen auszuloten. Am 1. August, einem Montag, radelten wir nach Lugano und wunderten uns über die geschlossenen Läden. Die haben’s nicht nötig, schon zu viel Geld gescheffelt, dachten wir. Dafür gab es ein Alphornbläserkonzert. Als wir die unzähligen Schweizerkreuzfähnchen an den Häusern sahen, merkten wir, dass Nationalfeiertag war. Wir schipperten mit dem Linienboot in den malerischen Vorzeigeort Morcote. Das anschließende Erklimmen der 400 Stufen zur Dorfkirche erwies sich als optisch lohnenswert, transpirativ jedoch als verzichtbar.

Tags darauf teilte mir mein Handy mit, dass die Roaminggebühren bereits 50 Euro ausmachen würden. Und das, ohne im Tessin telefoniert oder netzgesurft zu haben! Deaktivierung vergessen! Eine Abzocke ist das, was hier immer noch betrieben wird, als Insel in der EU.

An der Tessiner Tankstelle galt es, für Diesel 2,35 Fränkli zu berappen. Nicht schlecht, wo sich die Italiener doch mit 1,70 Euro zufrieden gaben. Im Café war der Preis für den Cappuccino im Norden doppelt so hoch wie im Süden, trotz gleichviel Koffein. Und das Eis war im Süden auch irgendwie cremiger.

Aber dafür ist auf Schweizer Seite alles sauber, man sieht kaum ein Schild „vendita“, dafür sehr viele adrette Zweitwohnsitze. Auf der anderen Seite sieht man dagegen Verfall und Leerstände. Wie machen das die Schweizer?

So machen sie das: Von Capolago fuhren wir per Zahnradbahn auf den Monte Generoso, zu einem durchaus stattlichen Preis. Auf mein Lamentieren hin meinte die Kassiererin: Klagen Sie nicht. Hätten Sie ein Hotel in der Schweiz gebucht, so bekämen Sie jetzt mit dem Ticino Ticket 30% Rabatt.

© JanGroenhain 2022-09-13

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