Schon wieder ein Jahr älter

Christine Büttner

von Christine Büttner

Story
Graz 2025

„Schon wieder ein Jahr älter!“, denke ich mir und ein bisschen erfasst mich Wehmut, denn mir kommt es fast so vor, als ob ein Jahr nach dem anderen verfliegt. Natürlich weiß ich, dass die Zeit immer gleich bleibt, dass die Stunden, Tage und Monate weder kürzer noch länger werden, trotzdem erkenne ich, seit ich älter werde, wie kostbar die Stunden geworden sind. Ich denke an einige Freundinnen und Freunde, die nicht mehr auf dieser Welt weilen und dann erscheint vor mir das Wort: PRIVILEG.

Es ist wirklich ein Privileg, wenn man älter werden darf und dabei noch ziemlich fit ist. Jeder Geburtstag von uns erzählt eine andere Geschichte, denn es gab im vergangenen Jahr viele Momente, die meine Seele berührten, die mich zum Lachen brachten, die Lernaufgaben beinhalteten, aber auch Liebe und Zuneigung, die mir von einigen Menschen großzügig geschenkt wurden.

Ich schlage mein Dankbarkeitsbüchlein auf und merke, dass es mir wirklich gutgeht. Da spielt die Zahl auf meinem Geburtstagskuchen überhaupt keine Rolle, denn die vielen Kerzen würden gar keinen Platz mehr finden. Es gibt in meinem Bekannten – und Freundeskreis einige Menschen, die hätten alles dafür gegeben, noch eine Kerze mehr auf ihrem Geburtstagskuchen zu sehen. Sie kämpften gegen ihre Krankheit, ließen sich nicht gehen, versuchten mit allen Mitteln, die Krankheit zu überwinden – und dann erreichte die Freunde diese Nachricht: Unsere, unser …. ist heute Nacht gestorben! Sie konnten nicht mehr eine neue Kerze auf ihrer Geburtstagstorte anzünden, denn ihr Lebensfaden ist jäh zerschnitten worden. Das Privileg, noch ein Jahr zu leben, ist ihnen nicht vergönnt gewesen! Es gab kein Entrinnen und der Atem des Lebens versiegte.

In meinem Dankbarkeitsbüchlein halte ich mehrmals die Woche meine Gedanken fest und anschließend strecke ich mich, sehe aus dem Fenster und freue mich über die momentan wunderschön blühenden Sträucher auf der Wiese und die Frühlingsboten, die ihre Köpfchen aus der Wiese strecken. Die Schneeglöckchen und die bunten Primeln verweisen auf die kommenden wärmeren Tage und zeigen endgültig, dass der Winter mit Kälte, Schnee und kalten Temperaturen ade gesagt hat.

Ich schneide Forsythienzweige und Palmkätzchen ab, hole die Osterdekoration hervor und hänge gehäkelte Osterhasen und wunderschön gestaltete Ostereier auf die Zweige. Außerdem habe ich von einer lieben Freundin ein gehäkeltes Nest mit Ostereiern erhalten (es ist ein Andenken an ihre Mutter, die ich sehr gerne hatte), das ich behutsam auf einem stärkeren Zweig befestige.

Ich betrachte mein Werk und denke mir, das sind die kleinen Freuden des Lebens und es spielt keine Rolle, wie viele Jahre man bereits auf der Welt ist. Ab jetzt höre ich auf, mein Alter zu verschönern, nein, ich werde es gemeinsam mit meinem Mann und Freunden feiern, denn nicht die Jahre sind das Problem, sondern die Zeit, die wir ungenutzt verstreichen lassen!


© Christine Büttner 2025-04-05

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Inspirierend, Reflective
Hashtags