Schöne Nacht, lustige Nacht

Sabrina Farkas

von Sabrina Farkas

Story
2015 – 2020

Plötzlich bemerkte ich es: Ich bin von Grinches umgeben.

Erst einer: meine Mama. Sie ließ es mich als Kind zwar nicht spüren, aber je älter ich wurde, desto ehrlicher wurde sie mit mir: Weihnachten mag sie einfach nicht. Da ist es kalt, alle werden ganz rührselig und es gibt unpassende Geschenke und Kitsch, mit dem sie nichts anzufangen weiß. Ok.

Dann zwei: meine beste Freundin. Wir lernten uns im Studium kennen. Freundeten uns ĂĽber die Semester hinweg immer besser an. Bis ich sie gut genug kannte, um zu erfahren: Weihnachten ist ihr ein Graus. Na gut!

Dann drei: mein neuer Freund. Er war ohne Eltern aufgewachsen und von seiner Oma großgezogen worden. Weihnachten verbrachte er mit ihr und seiner Tante, beide gesundheitlich nicht mehr so auf der Höhe. Dadurch war sein Weihnachtsabend meistens kurz und kein Anlass zu großer Freude. Puh …

Bevor ich selbst zur vierten Grinchin wurde, veränderte ich etwas: Ich verlegte das Weihnachtsfest von der Wohnung meiner Mama in meine Wohnung, in die mein Freund inzwischen eingezogen war. Besorgte den ersten, echten Christbaum nach dem Plastikding meiner Mama, das jahrelang zum Einsatz gekommen war, weil sie es am nächsten Tag gleich wieder so praktisch wegräumen konnte bis zum nächsten Jahr. Drückte zur Begrüßung allen hausgemachten Punsch in die Hand. Tauschte das Wir-schauen-jetzt-alle-ergriffen-den-Baum-an-und-singen-etwas gegen eine Playlist mit fröhlichen Weihnachtsliedern. Es war der Beginn einer neuen Ära!

Das Weihnachtsfest bei uns ist inzwischen zu unserer neuen Tradition geworden. Es wird gelacht, geplaudert, gegessen und getrunken. Wir beschenken einander mit Köpfchen und Humor. Manchmal sind die Geschenke auch gar nicht so leicht zu erkennen, was für umso mehr Unterhaltung sorgt, wenn zum Beispiel ein langes Kabel, das sich jemand gewünscht hat, in Geschenkpapier eingewickelt als Baumschmuck zum Einsatz kommt. Oder ein Saunakilt, der prompt anprobiert und unter heiterem Gelächter vorgeführt wird. Oft sind es auch nützliche Kleinigkeiten, die wir einander aus reiner Freude am Auspacken schenken. Mit Besinnlichkeit und Rührung hat unser Weihnachtsfest im Vergleich zu meinen Kindheitserinnerungen also denkbar wenig zu tun.

Doch eines haben wir aus meinen Kindheitstagen beibehalten: Die Bescherung gibt es vor dem Essen. Viel zu groĂź ist die Ungeduld und zu sehr freuen wir uns immer noch wie kleine Kinder, um bis nach dem Fondue zu warten. Aber nicht auf die eigenen Geschenke! Sondern auf die Gesichter der Beschenkten beim Auspacken. Sie strahlen immer voll aufrichtiger Freude.

© Sabrina Farkas 2020-12-10

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