Schreibe, lieber Leser

Achoaq Cherif

von Achoaq Cherif

Story

Vermisst du gerade jemanden? Vielleicht diese eine spezielle Person, die genau so aussieht, wie sich helle Sonnenstrahlen anfühlen. Vielleicht diese eine spezielle Person, dessen Stimme sich so anhört wie warmer Regen im Sommer. Vielleicht auch diese eine Person, die du so sehr liebst, dass du es ihr niemals sagen könntest. Vermisst du diese Person, an die du gerade gedacht hast? Was tust du, wenn deine Sehnsucht dich auffrisst?

Ich erzähle dir, was du machen sollst. Ich verrate dir nun, wie du Blumen in Herzen blühen lassen kannst. Du nimmst den Stift und schreibst mit geschlossenen Augen. Du schreibst einen Brief, in dem du deinen Tag so lustig beschreibst und sagst, wie schön es wäre, die roten Wolken gemeinsam zu betrachten. Du schreibst ein Gedicht, das keinen Sinn ergibt, aber voller ehrlicher Worte ist. Du schreibst eine Nachricht, in der du von den blauen Blumen in deinem Garten erzählst. Du schreibst, was dein Herz dir diktiert und sollst dich vor der Vernunft deines Hirns nicht fürchten. Keine Logik ist erlaubt, denn ein Text, der einen berührt, besteht nur aus Fäden von Gefühlen, die nicht ausgesprochen werden dürfen. Genau das tust du, wenn du eine Person vermisst, anstatt ihr Blumen zu schenken, mit Namen wie „Vergissmeinnicht“.

Verstehe mich nicht falsch, du wirst deinen Text nicht abschicken, denn er ist nicht für die andere Person gedacht. Nein, dein Text ist allein für dich gemacht. Er ist dafür, damit du deine Sehnsucht in Papier verpacken und es von außen betrachten kannst. Du legst den Brief danach in den Briefkasten eines verlassenen Hauses. Du lädst das Gedicht anonym im Internet hoch. Du sendest die Nachricht einfach dir selber statt der Person, an der all diese Sätze gerichtet sind. Du sollst nur schreiben, denn das ist die Sprache unseres Körpers, der selbst nicht sprechen kann.

So schreibe, damit dein Körper sprechen lernt. Schreibe, damit dein Herz endlich atmen kann. Schreibe, damit du dir endlich selber ein Schritt näher kommst. Lieber Leser, du sollst anfangen, dir selber Briefe, Gedichte und Nachrichten zu schreiben, denn das haben wir nie gelernt zu tun. Uns Worte zu sagen, die uns stärken, statt schwächen. Schreibe glückliche und traurige Texte, die dich zum Lächeln bringen und zu Tränen zwingen. Schreibe, bis dein Herz leer wird, damit es endlich aufatmen kann. Lieber Leser, Texte sind voller Botschaften an uns selbst, auch wenn sie an andere Menschen gerichtet sind. Sie sind wie kleine Spiegel, die jede Falte zeigen. Du musst nur genauer hinsehen und versuchen, zwischen den Zeilen zu lesen.

Und wenn du eine Lupe über mich hältst, dann siehst du plötzlich meine Autorin vor dir, die dich anlächelt und sagt: Schreibe, schreibe und schreibe, bis die Welt verschwindet und nur aus Papier und Tinte besteht. Schreibe so lange, bis dein Text zum Leben erwacht und plötzlich mit dir spricht.

Lieber Leser, schreibe, bis auch dein Text das Sprechen erlernt.

© Achoaq Cherif 2022-08-28

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