von Christine Föger
Ich las den Namen auf dem kleinen Stück Papier und kannte noch nicht die Geschichte dahinter. Es war die Eintrittskarte zum Kennenlernen von jungen Leuten auf der ganzen Welt. In meiner Schulzeit gab es das „IYS – International Youth Service”, das uns Schülern weltweite Briefkontakte für 10 Schilling pro Bogen ermöglichte. Etliche, prall beschriebene Seiten, gingen auf die Reise und jedes Kuvert machte Freude auf beiden Seiten. Wir wünschten uns Alter, Hobbys, Land und Sprache und bekamen Vorschläge. Ein toller Moment!
Ich entschied mich als Erstes für die Brieffreundschaft mit Carolyn in Englisch. Fast alle Länder kannte ich nur aus dem Geografieunterricht. Nun schrieb mir ein elfjähriges Mädchen über ihr Leben unweit von London. Ich erfuhr, wie gekocht wurde, was sie spielte und allerlei über ihre Heimat. Sie schickte mir ein Foto von sich vor dem Buckingham Palast und ich wollte dort einmal mit ihr stehen. Dazu kam es aber nicht!
Dann war da Norbert aus Böblingen. Er lebte in der Stadt, liebte schon mit 13 Jahren Pop, Blues und Beat und ich hörte noch “softe Musik”. Ich wollte Gitarre lernen, er spielte und improvisierte schon damit. Sie wirkten etwas konträr, unser beider Leben und in vielem doch ähnlich. Wir schrieben uns gern und lange. Meine Eltern staunten über harmlos leuchtende Herzen auf den Kuverts.
Meine allerbeste Brieffreundin bekam ich für treues Mitmachen “geschenkt”. Karin aus dem Kreis Wolfsburg in Norddeutschland schrieb mich an und es wurde eine richtig gute Freundschaft. Ihre Eltern arbeiteten bei VW, wir fuhren einen Käfer. Karin und ich haben einander besucht und unsere Familien kennengelernt. Ich denke oft an sie und decke den Tisch bis heute mit ihrer Zuckerdose aus Glas.
Zu allen Brieffreundschaften gab es fast täglich Briefe für meine Freundin und Sitznachbarin in der Schule. Alles schrieben wir uns abends von der Seele und lasen am nächsten Tag die Briefe. Volljährig geworden sah ich meine tirolweit verstreuten Freunde viel zu selten! Um die lange (!) Zeit zwischen den Wochenenden zu überbrücken, hielten wir uns schriftlich auf dem Laufenden. Mädchen und Burschen erzählten, trösteten, beratschlagten und waren immer in Verbindung. Tipps bei Liebeskummer inklusive! Ich habe Briefe aus vielen Ecken Europas und der Welt, wie Luxemburg, Malaysia, der Steiermark, Lübeck, den Niederlanden und etliche mehr in meiner Schatzkiste. Sie geben mir Einblick in meine Lebensjahre.
Heute würde ich gern einmal alle von mir geschriebenen Briefe vor mir sehen. Ich schreib noch immer, bis vor kurzem auch an meine liebe, hochbetagte Mama im Altersheim. Ein lebendiger Briefwechsel und Kontakt mit meiner erfrischenden Großtante ist mir seit kurzem geschenkt. So eine Freude!
Herzliche Briefe verbinden Menschen!
Ansichtskarten sind Bildgeschichten des Lebens!
Briefmarken sind Gemälde der Kommunikation.
Ich plädiere für das Schreiben von Briefen und von Ansichtskarten! Der Freude wegen!
Foto: Föger
© Christine Föger 2022-03-10