von Vanessa Görög
Wir kannten das alte Paar, glaube ich ein – bis zwei Jahre und fuhren regelmäßig zum Schrebergarten. Mittlerweile waren ihre beiden Freundinnen, und die beiden Kinder wieder öfters mit dabei. Mit dem Mädchen verstand ich mich gut und wir spielten viel zusammen mit unseren Puppen im Garten oder malten bunte Bilder. Der alte Mann hatte immer ein Auge auf uns, aber bei meinem Bruder und dem Sohn der einen Freundin meiner Mama, war er eigentlich nie dabei und hat auch kaum mit ihnen gespielt. Wenn wir wieder zu Hause waren, nach einem langen Tag im Garten, merkte ich, dass mein Bauchgrummeln weniger wurde und mich wohler fühlte. Ich blieb meistens in meinem Zimmer, schrieb Tagebuch oder schaute Kinderfilme auf VHS-Kassetten an. Müde lag ich in meinem Bett und schlief mit einem Hörspiel ein. Nachts, zu später Stunde wachte ich mehrmals schweißgebadet auf. Ich hatte immer wieder den gleichen schlechten Traum. Mir wurde ganz warm, mein Herz klopfte im Schlaf ganz schnell, bis ich mich selbst zwang aufzuwachen. Die Nächte liefen fast täglich so ab und meine Mama meinte, ich würde nachts laut schreien und im Schlaf reden. Woher das wohl kam?
Ich kam gerade aus der Schule und wollte mich in mein Zimmer zurückziehen, meine Mama war noch nicht von der Arbeit daheim und mein Bruder war noch unterwegs. Nachmittags waren wir alle drei im Wohnzimmer und schauten einen Film an. Dabei erzählte uns Mama, von einem Mann, der uns bald besuchen kommen wird. Sie sah dabei glücklich aus und strahlte über das ganze Gesicht. Ich dachte mir nur „Nicht schon wieder ein neuer Mann“. Sie lernte öfters Männer kennen, weil sie unter der Woche mit ihren Freundinnen und einer Nachbarin ins Nachtcafé ging. In dieser Zeit passte eine Nachbarin aus dem dritten Stock auf uns auf, damit wir nachts nicht ganz alleine waren. Der neue Mann besuchte uns und mein Bruder und ich mochten ihn von Anfang an nicht. Er hatte eine knallrote Nase, wie Rudolf, das Rentier mit seiner roten Nase vorne dran. Er kam nun öfters zu uns nach Hause oder fuhr sogar mit in den Schrebergarten.
Nachts, als ich nach einer längeren Zeit wieder bei meiner Mama schlief, klingelte es ununterbrochen an der Tür. Ich hörte im Halbschlaf, dass Schrauben zu Boden fielen. Am Nächsten Morgen hat Mama erzählt, dass er versucht hat in die Wohnung zu kommen, weil sie ihn aus Versehen angerufen hatte. Meine Mama versuchte sich von ihm zu trennen. Er akzeptierte das nicht und verfolgte uns, versteckte sich im Gebüsch hinter dem Hügel im Hof und versuchte meiner Mama aufzulauern. Sie schaltete die Polizei ein und durch eine einstweilige Verfügung kam unser Familienleben wieder etwas zur Ruhe. Mein Bauchgrummeln blieb.
© Vanessa Görög 2024-03-11