von Bluebabe
Noch nie in meinem Leben habe ich mir etwas gebrochen. Nicht einen einzigen Knochen. Aber gestern passierte es. Ich hatte einen Stöckelbruch.
Meine Kindheit war kleidungstechnisch betrachtet sehr bescheiden. Ich musste die Kleider meiner größeren Geschwister auftragen. Das war damals in den meisten Familien durchaus üblich. Nur war ich die Zweitjüngste von sechs Kindern und da sind die Farben dann nicht mehr so eindeutig. Mit ging trotzdem nichts ab. Im Herbst vor Schulbeginn gab es für jedes Kind eine neue Ausstattung. Diese war für Sonntage und besondere Anlässe gedacht. Das hieß: Die Kleidung wurde geschont und wenig getragen.
Das verfolgt mich bis heute. In meinem Kleiderschrank befindet sich das eine oder andere Stück, welches nur selten getragen wurde, weil „schön, edel, und teuer“. Jahrelang war das kein Problem, da sich mein Körper in Kleidern Größe 36 ausgesprochen wohl fühlte. Nach dem dritten Kind lag dann meine Wohlfühlgröße bei 38. Immer noch gut.
Seit dem 50iger geht es schneller. Momentan bin ich bei Größe 40. Zumindest bei den Hosen. Obenrum geht sich das mit 38 gerade noch aus.
Bei den Füßen ist das ähnlich. 38-38 1/2-39.
Schuhe belasten das Haushaltskonto. Vor allem gute Schuhe, schöne Schuhe, edle Schuhe. Und werden selten getragen. Zumindest von mir. Die bevorzugte Absatzhöhe verhält sich zum Lebensalter indirekt proportional.
Feine Anlässe bringen das Schuhwerk dann doch ab und zu ans Tageslicht. So ein Anlass war gestern. Ich trug mein schönstes Kleid, die edelste Tasche und die Schuhe mit den höchsten Absätzen. Die Riemchen mit Strass besetzt, wohlgemerkt. Und oh Wunder, ich konnte sogar damit laufen. Die 1. Etappe von der Wohnungstür zum Auto war sozusagen die Aufwärmrunde. Am Weg vom Auto bis zur Örtlichkeit begann es heftigst zu regnen und bis wir ankamen, hagelte es. Wir schafften es gerade noch rechtzeitig ins Trockene. Die Schuhe waren nass und ich spürte, wie sich beim Gehen der rechte Stöckel leicht nach hinten bewegte und sich eine leichte Instabilität einschlich. Ich schrieb es meinem Körpergewicht zu. Zur Halbzeit des Abends war die Symmetrie soweit hergestellt, dass sich beide Absätze elastisch zu meinen Schritten bewegten. Gegen Ende des Abends wähnte ich mich immer noch in Sicherheit.
Beim Aussteigen aus dem Auto passierte es. Meine rechte Ferse kippte nach unten und da lag der Absatz. Ich schnappte ihn und schlich auf Ballen in die Wohnung. Dort inspizierte ich den Schaden. Irreparabel. Beide Schuhe befanden sich in Auflösung, die Ränder existierten nicht mehr, die Sohlen waren deformiert und der linke Absatz ebenfalls im Begriff, sich davon zu machen.
Wann hatte ich sie das letzte Mal getragen? Vor 10 Jahren?
Heute kam die Müllabfuhr. Schade um die schönen Steinchen! Vielleicht hätte ich die noch…? Oder soll ich mir ein Paar neue, schöne, edle…?
© Bluebabe 2019-07-09