Schuhe und Fußtritte

Anna Geier

von Anna Geier

Story

Als ich einen Bewegungsdrang verspürte, drängte es mich zu einem Paar besonderer Schuhe. Gehen manche Frauen in die Stadt, um sich etwas Besonderes für die Nerven zu kaufen? Schuhe sind ein ewiges Frauenthema, denn man kann nie genug davon haben. Schuhe sind wie Rudeltiere. Sie brauchen Brüder und Schwestern, Freunde und immer Nachwuchs.

Individuelle Anpassung hieß das teure Zauberwort und ich stand schon auf dem Laufband, besser gesagt auf dem Gehband. Da wurde analysiert wie mein Gang und Bewegungsablauf ist und daraus wurden meine individuellen Schuhe angefertigt. Teuer war der Spaß, denn damals waren 2000 Schillinge doch ein Luxus für diese speziellen Schuhe.

Man kann nie genug Schuhe haben, nur zuwenig Platz im Schrank. Mit den richtigen Schuhen kann man die Welt erobern. Nein, keine Highheels, mit denen stolpert man nur durchs Leben und man hat keine Bodenhaftung. Aschenputtel ist doch der Beweis dafür, dass ein Paar neue Schuhe das ganze Leben verändern können.

Da hatte ich nun Laufschuhe in der Hand und wollte diese zu ihrem Lebenszweck verhelfen. Eigentlich sollte sie mich schneller durch den Tag tragen. Ganz langsam und sachte versuchte ich, den neuen Schuhen ihren Zweck erleben zu lassen. Schnell war mir klar, dass Joggen gar nicht zu mir passte. Ich schaute auf den Boden, starrte meine Füße und Schuhe an und mir war klar, wir drei bildeten keine Einheit.

Zum Wandern und Gehen verwendete ich meine Luxustreter. Eine gewisse Zweckerfüllung und sinnvolle Verwendung erfreuten meine Hatscher. Meine Füße fanden Gefallen daran und fühlten sich wohl. Nach 20 Jahren Verwendung meinte ich, der Zeitpunkt sei gekommen , die treuen Gefährten in Schuhpension zu schicken.

Nachdem diese Uraltschuhe Makel an der Sohle, Ferse und am Obermaterial haben, wollte ich sie schon entsorgen. Aber ich fand noch einen Verwendungszweck. Zum Schwammerlsuchen konnten sie mir auch noch dienen. Wenn es so wie heute wieder geregnet hatte, die Wiesen und der Wald triefend nass waren und mein Schwammerlgusto mich in den Wald schickte, taten die ausgeleierten Hatscher wieder ihren guten Dienst.

Jetzt stehen sie tritschnass vor der Türe und sollten ihren endgültig letzten Weg in die Mülltonne antreten. Oder lasse ich sie nochmals trocknen für einen nächsten Einsatz?

Schuhe sind wie Freunde für die Füße. Wenn man jung ist kann man nie genug davon haben und später merkt man, dass es dieselben sind, mit denen man sich am wohlsten fühlt. Sie sind noch immer wie angegossen und 22 Jahre sind rekordverdächtig. Ich schaffe es nicht diesen ausgeleierten Schuhen einen Fußtritt zu verpassen.

Wenn man die Sorgen der Welt vergessen will, braucht man nur Schuhe zu tragen, die eine Nummer zu klein sind (Mark Twain).

© Anna Geier 2020-08-19