von Mary-Mitch-Nobby
Mit 19 hatte ich beschlossen meine Reisetasche zu packen und einen, laut Zeitung, interessanten Job in Baden Württemberg anzunehmen. Ich fuhr mit dem Zug hin und verstand die Art Job nicht. Nach langem erklären und forschen (mit einem Nokia 5210 für 3,49€ die Minute im Internet), fand ich schnell heraus, dass ich inmitten einer Drückerkolonne geraten bin. In meinen Augen war es damals Humbuck. „So schlimm wie es im Netz beschrieben ist, ist es nicht.“ Das Tür-zu-Türgeschäft fand dennoch statt. Wir mussten unser Skript auswendig lernen, dass nicht der Wahrheit entsprach, damit wir Zeitungsabos verkaufen konnten. Zu dumm war ich für den Job und von schauspielerischen Skripten hab ich noch nie etwas gehalten. Also machte ich es auf meine Art & Weise. Ich log nie. Wir fuhren also in die Gebiete. Von morgens 8 bis spätabends. Jeder von uns wurde eingeteilt an den Türen zu klingeln, zu versuchen ein Zeitungsabo aufzudrücken und im Nachhinein uns verarschen zu lassen um eine Provision von max. 20,-€ zu erhalten. Eines Tages waren wir in Heidelberg. Ich bekam ein Gebiet, in dem ich mich absolut verlaufen hatte. Also lief ich durch die Gegen und hatte null Bock auf Scheine schreiben. (So nannten sie es, wenn man ein Abo abschloss). Ich pimmelte durch die Gegend genoss das Wetter, bis ich Robin sah. Einer aus meiner Kolonne. Ich lief zu ihm und teilten uns in eine Art Hochhaus auf. Es war heruntergekommen, riesengroß, gruselig und mein Gefühl befiel mir nicht hereinzugehen. Dennoch tat ich es. Manche Wohnungen existierten nicht mal mehr. Robin war schmerzfrei und lief ins Nebengebäude. Ich fand eine Wohnung, die bewohnbar wirkte. Beim Klingeln und Warten, dass die Tür sich öffnete, fiel mir auf, dass mein Akku leer war. Ein älterer Mann öffnete die Tür. Freundlich aber sehr ungepflegt. Das Highlight beim Scheine schreiben war, bis in die Wohnung zu kommen. So erweckt man vertrauen und bekommt eher ein Abo zugeteilt. Er liest mich direkt rein. Es stank nach Muff und neben dem Flur war die Küche. Dort befand sich eine Sitzbank, Tisch und ein Bett mit Schrank. An der kleinen Küchenzeile sah ich ein Nokia Ladekabel und fragte danach. „Ich komme sofort wieder!“ Sagte er freundlich und ging in den Nebenraum. Erst dann sah ich am Schrank und auf dem Tisch lauter kinderpornografische Fotos und Zeitungsausschnitte. Teilweise von Mädchen max. 19/20 Jahren. Das Bett war ebenfalls voll von solchen Fotos die vom Internet vermutlich gedruckt worden. Ich erstarrte und dachte ich komme nie mehr aus der Wohnung. Als er wieder kam, sagte ich:“ Ist es ok, wenn mein Bruder gleich dazu kommt?“ Man sah ihm seine Freude an als er zurückkehrte und setze sich mir gegenüber. Ich betete, dass Robin jeden Moment klingeln würde, während er mir stolz seine Sammlungen an Bilder zeigte. Er behielt Abstand von mir während seine Bilder teilweise gefesselte Mädchen zeigte. Ich dachte darüber nach, wie andere Menschen diesen Mann außerhalb sahen? Als den freundlichen Mann von nebenan? Ich nahm mein Handy und befürchtete, dass er mich genau jetzt schnappt. In diesem Moment klingelte Robin an der Türe und lief hinaus. „Dieses Hochhaus ist verboten!“, sagte ich schockiert.
© Mary-Mitch-Nobby 2024-07-04