Meine Mittelschulzeit war 1946 bis 1954 und besuchte das 2.BRG in Graz. Ich wohnte auĂerhalb von Kalsdorf, also ca. 15 km von Graz entfernt und war FahrschĂŒlerin. In der damaligen Zeit fuhr der Zug und die Busse nur spĂ€rlich und hatten auch oft VerspĂ€tung. Der letzte Bus am Abend fuhr um 20.30 Uhr, also war fĂŒr mich Theater, Oper, Kino, andere Abendveranstaltungen eher selten möglich, da ich dann bei einer Grazer Schulkollegin ĂŒbernachten musste. Mit 5 bis 6 Schulstunden und Fahrtzeit betrug mein Schulalltag meist 8 Stunden, bei Nachmittagsunterricht kam ich erst um 20.30 Uhr nach Hause.
Damals gab es wenige SchulbĂŒcher, kein Mathematikbuch, keinen Liber Latinus, man musste in Geschichte, Geographie, Physik, Biologie mitschreiben, oder spĂ€ter mitstenografieren, und da ich ein visueller Typ bin, habe ich daheim alles nochmals gegliedert, unterstrichen und ordentlich in Reinschrift geschrieben und das brauchte auch viel Zeit. Was man aber im Unterricht ĂŒberhört oder nicht verstanden hat, konnte man nirgends nachlesen, auch niemanden fragen, da es ja kein Handy gab. So war ich ĂŒberglĂŒcklich, als ich mir mit 16 Jahren mein erstes Lexikon im Antiquariat kaufte.
Die Professoren waren annehmbar und grundsĂ€tzlich uns wohl gesonnen. Aber man musste schon gehorchen, bei kleineren Vergehen gab es 1 Stunde Schulhaft, bei gröĂeren 3 Stunden Karzer, also Nachsitzen mit Schularbeiten. Man musste sich solide kleiden, Kleider und Röcke hatten das Knie zu bedecken, keine weiten Ausschnitte und keine Hosen.
In der 6. Klasse war die Wienreise. Leider bekamen wir einen Termin im Februar. Wir fuhren mit dem Zug nach Wien ĂŒber den Semmering in die russische Zone und wurden untergebracht in einem Heim in Hadersdorf- Weidlingau. Ăsterreich war damals noch besetzt und in Wien gab es die Vier im Jeep. 1952 im Februar war in Wien zu dieser Zeit Schnee, KĂ€lte und ein schneidender Wind, wir froren mit unseren WollstoffmĂ€nteln und mit den WollstrĂŒmpfen jĂ€mmerlich und waren immer sehr froh, wenn es Innenbesichtigungen gab. Am 3. Tag, wir waren gerade in Schönbrunn, erhielten wir die Nachricht, dass in unserem Heim ein Brand ausgebrochen sei von einem schadhaften Kamin. 3 Schulkolleginnen, die an diesem Tag wegen Fieber im Heim blieben, haben die Koffer, welche wir in unserem Schlafraum unter das Bett schoben, beim Fenster hinaus geworfen. Als wir zum Heim kamen, mussten wir im Schnee unsere Sachen zusammen suchen, aber es war fast alles gerettet. Ziemlich spĂ€t in der Nacht fanden wir Aufnahme in einem Kinderheim (Arne Karlson-Heim) und konnten von dort aus unsere Wienbesichtigung fortsetzen, und es war trotz aller Widrigkeiten ein interessantes Erlebnis.
In der Zeitung gab es einen kleinen Artikel ĂŒber den Brand. Es stand zu lesen: AuslĂ€ndische Studenten und Studentinnen verloren all ihr Hab und Gut. Drei Fehler in dem einen Satz: weder auslĂ€ndisch, noch Studenten, noch verloren wir unser Hab und Gut.
© Adelinde Barilich 2020-06-21