von Angela Buchegger
Manchmal gestalten sich die Tage schwierig. Zäh verrinnen die Stunden, es gibt nichts als Hektik und Aufregungen. Und es scheint, als haben sich die Energievampire zu einer Versammlung getroffen. So ist man, nach Zehn Stunden im Volleinsatz, wieder einmal total erschöpft. Meiner Kollegin Silvia ergeht es ebenso. „Wir sollten uns heute nach Dienstschluss etwas Gutes tun, damit wir unsere Kraftreserven auffüllen!“ Meint Silvia, als wir uns im Umkleideraum treffen, um uns für die Heimfahrt zu Recht zu richten. »Heute Morgen auf dem Weg zur Station las ich ein Plakat. Es wird zu einem Seminar eingeladen. Ich glaube, das wäre was für uns. Möchtest du nicht auch einmal deinen Schutzengel treffen?« Frage ich meine liebe Kollegin, als wir gemeinsam zum Parkplatz schlendern. »Ja, da bin ich dabei!« ist sie gleich meiner Meinung. »Ist ja total schön, wieder einmal gemeinsam etwas zu unternehmen.« Gesagt, getan. Wir stellen unsere Autos am Parkplatz vor der Festhalle in Bachern ab und stürmen gleich in den Veranstaltungsaal.
Gerade noch rechtzeitig. Wir sehen gleich zwei freie Plätze. Die vortragende Engelsfrau ist schon da, bereit, uns mit dem Thema Tschengeln in eine geistige Welt zu entführen. Leise Musik ertönt, doch ich kann mich noch gar nicht konzentrieren. Zu sehr sitzt mir der Stress der vergangenen Stunden unter der Haut. Außerdem schleicht mich das Gefühl an, dass ich mein Auto nicht abgesperrt habe. Und wo ist überhaupt mein Autoschlüssel geblieben? All das ist für ein solch meditatives Vorhaben nicht gerade vorteilhaft. Ich versuche mich trotzdem auf die Atmosphäre und das Geschehen im Raum einzustellen. Gerne folge ich der Engel-beauftragten auf dem Weg, uns in eine tiefe innere Ruhe zu manövrieren. Plötzlich werde ich von einem herrlichen Gefühl von Wärme und Leichtigkeit durchströmt. Um mich herum sehe ich Licht in allen Farben. Von golden bis silberglänzend, in einem sanften Grünton, fluoreszierend, bis hin zu wohltuendem Rosarot und Himmelblau. So könnte ich noch lange verweilen, um diese besondere Atmosphäre zu genießen. Mein Engel hat sich mir nicht in Menschengestalt, sondern im reinsten farbigem Licht und einem Gefühl von allumfassender Geborgenheit, gezeigt.
Diese Zeit hat sich für mein weiteres Leben mehr als gelohnt. Nicht umsonst heißt es ja: »Das schönste Erlebnis ist eine Begegnung mit dem Geheimnisvollen.« Das besondere Gefühl nahm ich mir mit. Ich weiß seither, dass Energievampire bei mir keine Chance mehr bekommen. Zwei Tage später hatte ich noch immer das Gefühl, von dieser besonderen Energie umgeben zu sein. Wie immer fuhr ich mit meinem Auto am Abend nach Hause. Ich war auf einer Landstraße unterwegs. Im Gegenlicht der untergehenden Sonne hatte ich schlechte Sicht. Plötzlich sah ich, von links kommend, ein Auto in meine Fahrspur einbiegen. Bremsen kreischen, mein Auto hebt ab, fliegt über eine hohe Böschung, handbreit an einer dicken Birke vorbei und landet darunter in einem saftigen Kleefeld. Während dieses Fluges war ich abermals eingehüllt, in das mir inzwischen schon bekannte, Farben-licht. Ich hatte, genauso wie der Unfallverursacher den Zusammenprall unbeschadet überstanden. Trotzdem brachte uns die Rettung zur Untersuchung ins Krankenhaus. Beide konnten wir unser Glück kaum fassen und gelobten gleich eine Wallfahrt nach Mariazell um unserem Schutzengel die verdiente Dankbarkeit zu erweisen.
© Angela Buchegger 2021-04-15