von Klaus Schedler
Selbstverständlich gibt es in der unmittelbaren Umgebung meines Dorfes im Waldviertel eine Fülle von Plätzen, an denen sich Schwammerl (deutsch: Pilze) finden lassen. Hirschau, Kiensaßwald, Weichpolzwald und Meinhartswald gelten als sichere Fundgebiete, sodass die erfahrenen heimischen Sammler mit Recht von sich sagen können, dass sie „Schwammerl finden gehen“ während andere „Schwammerl suchen“ müssen.
Das Problem liegt weniger in der Kenntnis der genießbaren Arten, die jedenfalls vorausgesetzt werden muss, sondern vielmehr in der genaueren Bestimmung ergiebiger „Schwammerlplätze“. Genau in dieser Hinsicht lassen sich aber kaum exaktere Angaben machen. Dies ist eigentlich sehr verwunderlich, da zumindest die heimischen Schwammerlfinder erfahrungsgemäß bereitwillig Auskunft geben.
So wird auf eine diesbezügliche Frage gern mitgeteilt, dass man den mächtig großen Burgschwamm (deutsch: Krause Glucke) „in d’ Hirschau hint“ gefunden hat. Tatsächlich ist diese Angabe aber nur beschränkt hilfreich, denn immerhin handelt es sich um ein Waldgebiet von etlichen-zig Quadratkilometern und der ergänzende Zusatz „hint“ (deutsch: hinten) erleichtert auch nicht gerade eine nähere Ortsbestimmung, solange man nicht weiß, von welcher Seite der Wald betreten wurde.
Man kann nun versuchen, durch mehr oder weniger geschickt provozierende Behauptungen wie: „Ich hab im Jungwald beim Bumperskirchenstein vor drei Jahren einen ähnlich großen gefunden“ eine exaktere Bestimmung des Fundorts zu erwirken, doch bekommt man als Antwort nun einen wenig ergiebigen Hinweis wie: „Naa, et do; weit’r drobm“.
Dieses „Katz-und-Maus-Spiel“ lässt sich stundenlang weiterführen, doch wird dem Schwammerlfinder, der ohnedies schon bei der ersten Bemerkung die Strategie des hinterlistigen Fragers durchschaut hat, der Vorrat an vergleichbar vagen Ortsbestimmungen niemals ausgehen: Geschickt werden Flurbezeichnungen mehrdeutig verwendet, Himmelsrichtungen mit weitläufigen Toleranzgrenzen versehen und Höhenangaben durch unklare Bezugspunkte relativiert. Entnervt wird der Wissensdurstige zur Kenntnis nehmen müssen, dass er den Fundort bestenfalls auf ein Gebiet von ca. 12 Fußballplätzen einzugrenzen vermag.
Er braucht sich aber deshalb nicht zu grämen, denn erstens ist jener Burgschwamm, der den Anlass zu dem Gespräch bildete, ohnedies nicht mehr dort und zweitens gilt die Faustregel, dass sogar unter Verwandten die flächenmäßige Eingrenzung von Fundstellen dem Produkt aus Verwandtschaftsgrad mal km zum Quadrat entspricht.
© Klaus Schedler 2019-04-11