von Nora Beiteke
Ja, lauf nur zu ihr.
Flieg ans andere Ende der Welt, nicht nur mit ihr, am besten gleich mit einem zweiten heißen Mädchen. Es ärgert oder trifft mich nicht, es amüsiert mich. Du bist wie eine besonders hübsche, schillernde Fliege im Netz der großen, schwarzen Spinne. All dein Weglaufen und Fremdgehen und die Beteuerungen, dass ich dir nicht bedeute. Das ist nur Gezappel. Vehementes Gezappel im Bestreiten deiner Freiheiten, während du dich immer stärker in meinem Netz verstrickst.
Du wirst am anderen Ende der Welt sitzen, mit diesen hübschen Mädchen, an diesen hübschen Stränden und in schillernden Bars. Aber alles wird sich hohl und leer anfühlen, als wäre es nur in 2D. Ein bitterer Nachgeschmack im Mund. In der Zeitung wirst du über eins unserer Worte stolpern und es wird dir die ganze Zeit im Kopf herumspuken während du versuchst dich zu amüsieren. In der kalten Shoppingmall wird dich eins unserer ätherischen Lieder heiß erwischen. In den Tiefen deiner Seele spürst du, dass es kein Entkommen gibt.
Natürlich ist das alles hübsch und fühlt sich gut an. Wie sich eine Party anfühlt, ein Shopping-Trip mit voll gefühlten Tüten, ein erfolgreicher Abschluss im Business. So ist es mit ihnen, mit all den anderen Mädchen und Frauen. Gut und süß und einfach, wie Fast Food oder ein Pauschalurlaub. So ist es mit mir nicht. Mit mir fühlt es sich für dich an, als würdest du eine Kathedrale betreten und auf Knien auf dem steinernen Boden beten. Es ist unbequem, schmerzhaft geradezu. Und doch befällt dich ein Gefühl tiefer Entgrenzung und Hingabe, wie du da auf den kalten Fließen meiner Anbetung liegst. Eine tiefe Verbundenheit zu allem, was ist und was war. An, in und mit mir ist dein Gebet erhört.
Sie sind wie ein Designer-Plastikstuhl in einer Betonwohnung mit abstrakter Kunst an den Wänden. Natürlich ist es einfach und bequem und steril. So anders, als unter der alten Rotbuche im Gras zu liegen, die Feuchtigkeit der Erde kriecht dir durch die Kleidung, der dunkel-modrige Geruch des alten Laubs in der Nase während die Sonne funkelnd durch die roten Blätter gießt. Und doch, diese Lebendigkeit, dieses zutiefst irdische und gerade dadurch überschreitende findest du nur hier im rauen Stamm des holzigen, lebendigen alten Baumes und nicht in deinem Plastik. Du weißt es. Lächelnd warte ich darauf, dass du erschlagen und ergeben wieder vor meiner Tür stehst, in der Hand ein antiquarischer Band unseres Lieblingsautors.
Komm her, meine bunt schillernde Fliege. Ich werde mich gut um dich kümmern. In meiner Gefangenschaft wirst du wahre Freiheit finden. In meiner Zärtlichkeit öffnen sich Welten deiner Ergebenheit. Beschwere dich nicht, dass ich eine Schwarze Witwe bin, das hast du doch immer gewusst. Du wirst nie so hoch fliegen, so tief fühlen, wie du es tust im Bewusstsein dessen, dass es dein letztes Mal ist. Du willst doch endlich wissen, wie es sich anfühlen wird dich selbst zu verlassen und mehr als du selbst zu sein, deine Seele als Teil des großen Energiestrudels der uns alle aus unserer Körperlichkeit in die nächste Welt trägt. Gib mir deine Hand, ich halte dich und öffne dir die Tür.
© Nora Beiteke 2024-03-17