von Mary Modl
Zur Jahreswende 1956 auf 1957 hatte meine hochschwangere Mutter â wohl durch die baldige Ankunft ihres Erstgeborenen beflĂŒgelt â die wunderbare Idee geboren, mit dem Sammeln von GlĂŒcksbringern zu beginnen. Mit den Jahren ist eine beachtliche Menge an unterschiedlichsten kleinen TalismĂ€nnern und -frauen herangewachsen, wobei auch einiges an Tierischem zu finden ist. Die Tradition von meiner Mama ĂŒbernommen, wird die Messing-Kaffee-Box mit dem signifikanten Mohrenkopf â besser bekannt als feinste Bohne des Julius Meinl â hervorgeholt, in der mein GlĂŒcksbringersammelsurium 360 Tage im Jahr schlummert. Die kleinen Preziosen sind gröĂtenteils sogar mit den Jahreszahlen versehen und somit wunderbare Zeitzeugen der Erinnerung.
Auch gestern â 65 Jahre danach â frönte ich wieder dieser Tradition. Doch diesmal wurde mir das erste Mal so richtig bewusst, wieviel Schwein(e) ich eigentlich habe. Genau genommen, einen absoluten KurzrĂŒssler-Ăberschuss; das Schwein als Spitzenreiter im glĂŒcksbringerischen Sinne quasi.
„Da hast Du ja Schwein gehabt!“ â Man hat schon nicht mehr damit gerechnet, aber dann ist doch noch alles gut gegangen.Doch so ein bisserl schwingt da auch manchmal Neid mit; so Ă la âDieses GlĂŒck hast du gar nicht verdientâ ⊠als Ausdruck der Missgunst, wenn jemand nicht genug fĂŒr das empfangene GlĂŒck getan habe.
Das erinnert mich an das âSauschĂ€dl-Dramaâ irgendwann in den frĂŒhen Achtzigern. Ein gekochter SauschĂ€dl mit frisch gerissenem Kren, Salz, Pfeffer und Nussbrot war bei uns das traditionelle Mitternachtsessen gleich nach dem guten Rutsch. Doch war dieser nicht auffindbar. Mein Vater schwor auf Biegen und Brechen, den bestellten SauschĂ€dl abgeholt zu haben. Doch als die Oma am Silvesterabend diesen zubereiten wollte, war er unauffindbar. Welch Dramatik bis Mitternacht; gute zwei Stunden wurde nach dem Schweinskopf gesucht. Es ist ja nicht so, dass ein solcher so einfach ĂŒbersehen werden könnte. Danach kam die Trauerphase in Form von allgemeinem betretenem Schweigen. Der Jahreswechsel holte zwar wieder alle aus der SauschĂ€dl-Lethargie; es wurde wie immer donaugewalzert und Blei gegossen. Trotzdem blieb die Stimmung etwas getrĂŒbt. Tage spĂ€ter als mein Vater des morgens wieder zur Arbeit fahren wollte, ĂŒberraschte ihn ein etwas unangenehmer Geruch im Wageninneren ⊠der SauschĂ€dl war im Kofferraum aus der Einkaufstasche gerollt ⊠Da hatte er wohl âSchwein gehabtâ; allerdings zur falschen Zeit am falschen Ort.
Meine GroĂmutter meinte stets, die âFadlnâ hĂ€tten viele Leutâ nach dem Krieg vor dem Hungertod bewahrt. Da bekommt die Redewendung âSchwein gehabtâ gleich noch eine ganz neue Nuance. âSchwein zu habenâ als KrisenbewĂ€ltigungsstrategie â heutzutage in unserer Ăberflussgesellschaft eher im metaphorischen Sinne gĂŒltig.
In diesem Sinne wĂŒnsch ich euch allen, dass ihr 2022 viel Schwein haben möget sowie die 3 GlĂŒckbringer-Gs ⊠Gsundheit, GlĂŒck & Gelassenheit! PROSIT NEUJAHR!đ
© Mary Modl 2022-01-01