Schwere Geburt

Ambika Christen

von Ambika Christen

Story
Schweiz 2023

Keine Aila mehr, die am Abend heimlich unter meine Bettdecke kriecht oder sich sanft neben mich rollt, um sich an mich zu schmiegen und mich am Morgen behutsam zu wecken. Stattdessen sind da nun Mi und Mo, diese quirlige Rasselbande, die schon in den frühen Morgenstunden über mein Bett und mich hinweg tobt. Sie hüpfen und springen, bevor sie wie Wirbelwinde durch die Wohnung rasen, nur um dann erneut über mein Bett zu flitzen. Und Aila, die stolze Mama, macht fröhlich mit. Ja, Aila ist Mutter geworden! Schon Anfang Mai! Wenn du dich an meine letzte Geschichte erinnerst, weißt du, dass dies Teil meines dritten Traums war. Und ist der ganze dritte Traum nun wahr geworden? Fast!

Aber lass mich der Reihe nach erzählen. Im Mai erblickten Mi und Mo das Licht der Welt. Ausgerechnet an jenem Tag, an dem mein Kalender mit Terminen bis zum Rand gefüllt war – von 7 Uhr morgens bis 10 Uhr abends. In den Tagen zuvor war Aila bereits unruhig und außerordentlich anhänglich gewesen. Ich spürte die kleinen Wesen in ihrem Bauch lebhaft umhertollen. Jeder Tag konnte der Tag der Geburt sein. Die neun Wochen der Tragzeit waren vergangen. An jenem Nachmittag, zwischen einer Besprechung und einem Elterngespräch, bot sich mir ein kurzes Zeitfenster von zwei Stunden. Als ich nach Hause kam, fand ich Aila in einem der Schränke, die ich bereits vor einigen Tagen freigeräumt hatte, damit sie dort ihre Jungen zur Welt bringen konnte. Als ich kurz das Zimmer verließ, folgte sie mir anhänglich und wirkte schmerzerfüllt. Es schien, als hätte sie Wehen, doch sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Normalerweise verlaufen Katzengeburten leicht und schnell, daher machte mich ihre Unruhe besorgt. Aila versuchte immer wieder, dem Schmerz während der Wehen auszuweichen. Schnell brachte ich sie wieder in den „Gebärschrank“, wo sie weniger Möglichkeiten hatte, dem Schmerz zu entkommen. Ich beobachtete genau, wie sie sich bei der nächsten Wehe verhielt. Ich hielt sie fest, damit sie presste und in der Wehe verharrte. Dabei sie kratzte beinahe meinen Unterarm auf, aber sie behielt eine gewisse Kontrolle und verstand instinktiv, dass ich ihr half. Bei der nächsten Wehe kam das Schwänzchen schon zum Vorschein. Es schien, als wäre eines der Kleinen ein Sternengucker. Die nächste Wehe war stark, und Aila presste, während ich sie festhielt. Sie schrie. Oh, so laut hatte ich sie noch nie schreien gehört, doch da war schon der kleine Körper draußen. Mit der nächsten Wehe folgte, etwas leichter, der Kopf. Erleichterung machte sich in mir breit, dass alles geschafft war. Aila vergaß rasch den Schmerz und widmete sich liebevoll dem kleinen Neugeborenen. Sie entfernte die Fruchtblase und die Plazenta und kuschelte dann gemütlich mit dem Kleinen, der schon nach ihrer Zitze suchte. Der kleine Kater Mo war geboren. Kurz darauf kam auch die kleine Mi unproblematisch zur Welt.

Nun sind Sommerferien, und ich habe noch keine neue Arbeitsstelle gefunden. Mein Online-Business braucht weiter Zeit zum Wachsen. Doch im Haus wird eine günstigere Wohnung frei, und die Pensionskasse zahlt mir eine größere Summe aus. Gerade sitze ich auf dem Sofa, während es draußen in Strömen regnet, und die Kleinen schlafen selig. Alles ist bestens. Wir leben gerade einen wundervollen Traum.

© Ambika Christen 2023-07-21

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Unbeschwert