von Alexandra Vogel
Das erste Mal sah ich dich mit F. vor mehr als sechseinhalb Jahren. Unsere Wege kreuzten sich ein, zwei Mal, gesprochen haben wir nicht viel miteinander. ‚Hej, wie geht’s?‘ – ‚Gut, und dir?‘ – ‚Auch gut. Schön, dass du da bist.‘ So in etwa. Die Gedanken an damals sind ein verschwommenes Meer an Erinnerungen, bin mir nicht sicher, was wirklich passiert ist und was ich mir dazu denke, anders denke.
Die Zeit an unser zweites erstes Mal dagegen, habe ich noch genau vor Augen, obwohl ich mit Sicherheit mal wieder betrunken war. Trunken vor Glück, Musik, Alkohol und Liebe für mein Leben. Ich lief mit meinen Mädels im Schlepptau in den Club rein, den lauten Beat der Musik – sicherlich Afrobeats – in meinen Ohren, sah ich durch das schwummrige Licht die Umrisse einer großen, drahtigen Person mit Rastas. ‚F.‘, schoss es mir durch den Kopf. Ich lief weiter und F. mir entgegen, und an dem Punkt, an dem wir auf gleicher Höhe waren begegneten sich unsere Blicke und blieben für ein paar Sekunden aneinander hängen während wir weiterliefen, ich in den Club rein und er nach draußen. Sie blieben aneinander hängen, bis du in mein Blickfeld liefst und ich in die Menschen vor mir. Schnell schaute ich nach vorne, entschuldigte mich, drehte mich wieder zu euch um, aber ihr wart weg. Rauchen. Ein Lied nach dem anderen zog uns weiter in die Nacht rein, heizte die Stimmung an und unsere Körper auf. Damals fing es an, dass Afrobeats zu meiner Heilmedizin wurde, die mich zutiefst berührt, erfüllt, beruhigt. Und so schwebte ich mal wieder durch einen Zustand nah an der Schwerelosigkeit, mit einigen Cubas in mir, einigen Erdbeer-Limes und einigen Bier. Hin und wieder hob ich meinen Kopf aus meinem ganz eigenen Tanzstil und entdeckte euch hier und da wieder. Kurz bevor die Lichter angingen zockte ich mir von dir einen Euro für noch ein Bier. Weil meins war leer – auch wenn ich rappelvoll war. Die Wasserfee in unserer Runde war damals noch nicht geboren.
Als diese Nacht vorbei war, dachte ich wieder an die nächste mit euch. Mit dir? Je häufiger wir uns sahen, desto häufiger wollte ich euch wieder sehen. Es fühlte sich gut an, die Zeit mit euch. Mit dir. Trotz allem malte ich in dieser Zeit, dem Jahreswechsel, ein Kunstwerk auf einen Pappkarton und lehnte ihn in meinem WG Zimmer oben auf den Türrahmen. Gold- und Brauntöne umspielten das Wort ‚Männerdiät‘. Ich hatte genug schräge Bekanntschaften gemacht die letzten Jahre und wollte nur mich sehen, an mich denken, mich lieben.Die Rechnung hatte ich aber ohne dich gemacht. Du warst so unglaublich hartnäckig, seit wir uns wieder begegnet waren. Zurückhaltend hartnäckig. Nach einer weiteren durchtanzten Nacht bläute dir meine Freundin ein, ihre blaue Freundin – mich – nach Hause zu bringen. Ich winkte es vehement und überzeugt ab und dann später irgendwann einfach ein. Denn ich wollte heim. Ich wollte einfach nach Hause.
Die Männerdiät fiel vom Türrahmen als wir in mein WG Zimmer kamen.
Und seit fast fünf Jahren bist mein Zuhause du.
© Alexandra Vogel 2021-10-28