Schwester Bernadette & Romy Schneider

Hillevi Hofmann

von Hillevi Hofmann

Story

Erschwerend zu diesem ganzen Marienkram kam noch hinzu, dass während meiner Goldenstein-Schulzeit einige unserer Hausnonnen gestorben sind. Darunter auch Schuldirektorin Schwester Alexis, bei deren Ableben aus bisher unerklärbaren Gründen synchron zig Schlossfenster zu Bruche gingen.

Wie junge, fromme Kinder es gewöhnlich innerhalb alter Klostermauern tun, mussten auch wir vor dem aufgebahrten, teils schon verwesenden Körper von Schwester Alexis beten. Die „wendige“ Maria der Kapelle natürlich im Nacken. Hach, was war man froh, wenn sie einem nicht zugeblinzelt hat – oder Blut geweint hat.

Für mich war es die Hölle auf Erden. Weil man ja auch nie wusste, wann sich genau welche himmlische Statue ihre Gliedmaßen vertreten musste. Hinzu gesellte sich schließlich auch noch der Geist von Romy Schneider, ebenfalls ehemalige Schülerin von Goldenstein.

Als überängstliches Menschenwesen wünscht man sich in einem Geisterschloss nur, mit möglichst vielen anderen Kindern im Zimmer sein zu dürfen. Weil ich aber das Lieblingsopfer der Nonnen war, kam ich meist in den Genuss eines Einzelzimmers. Mit allem Geister- und Marien-Pipapo. So hatte ich zum Beispiel aufgrund meiner unumstößlichen Liebe zu Luke Skywalker und Darth Vader („Star Wars, was für ein Teufelszeug!“) die meiste Zeit den launigen Einzelsaal namens „Zimmer mit Aussicht“. Mit einem gar wundervollen Blick auf Maria und den Aufbahrungsraum der Kapelle. Jener, wo alle gefühlte zwei Wochen ein mausetoter, in Nonnengewand gekleideter Körper, vor sich hin verweste.

Wie war ich froh, wenn ich in Romy Schneiders altem Zimmer schlafen durfte, wo es statt „Paranormal Activities“ zumindest ein klein wenig Hollywoodfeeling gab. Wäre da nicht Schwester Bernadette gewesen.

Denn Schwester Bernadette hatte eine beinah teuflische Freude daran, mich die schweren, alten Fensterbalken beim stündlichen Kirchenglockenläuten jeweils einmal auf und wieder zu machen zu lassen. Um ja daran erinnert zu werden, wer da unten über uns wacht. Na gute Nacht!

Man denke, wie verlockend es für mich als 13-jähriges Psycherl war, nachts im Dunklen auf das gefühlte 400 Meter weit entfernte WC gehen zu müssen, nachdem man zuvor den Ausblick auf Leichenhalle und Marienstatue genossen hat. Nicht, dass ich mit 13 noch Bettnässerin war.

Ich hab‘ einfach irgendwann ins Waschbecken gepinkelt. Sorry, Nuns! Wenn man mich heute fragt, was ich an diesen so „kinderlieben“ Nonnen am meisten bewundert habe, dann ist es mit Sicherheit der Fakt, dass Nonnen niemals aufs Klo gehen müssen. Weder Tags noch nachts. Sie sind komplett geschlechtslose Wesen. No Mumu, no Lulu!

Hätte ich mich damals doch besser mit einer Wasser-absorbierenden Bett-Unterlage bewaffnet als mit einem Lichterschwert „Made in China“. Denn Lichterschwerter verjagen keine Geister. Und schon gar nicht die Jungfrau Maria!

© Hillevi Hofmann 2020-12-14