Mach dich nackig

Nina Burian

von Nina Burian

Story

Ich bin nichts Besonderes. Ich werde mich blamieren. Wer will schon hören, was ich zu sagen hab?

Leise hörte ich diese Stimmen in meinem Ohr, sie krochen durch mich hindurch. Jahrelang schleppte ich dieses schwere und hÀssliche GepÀck mit mir herum. So lange, bis es zu einem Teil von mir wurde.

Warum fraßen sich diese destruktiven Gedanken in meine Seele, wĂ€hrend die Komplimente, unverrichteter Dinge von mir abprallten? Warum versteckte ich mich? Warum schĂ€mte ich mich fĂŒr meine Verletzlichkeit?

Eines Tages reichte es mir. Ich wollte keine mehr sein, die runterschluckt und sich Sachen verkneift, bis sie seelische Verstopfung hat und dann als Folge unkontrollierte emotionale Eruptionen ĂŒber andere ergießt. Das Leben ist zu kurz, um nicht zu sich selbst zu stehen.

Hier auf Story.One wird mein Rucksack abgestellt, ausgerÀumt und rigoros ausgemistet. Ich krame meine persönlichen Gedanken hervor und zeige sie anderen Menschen. Hier habe ich gelernt, dass man seine Verletzlichkeit zur Schau tragen kann.

Da schaut’s alle her! Mein Finger deutet auf alle Imperfektionen, legt sich in Wunden und stochert herum. Holt Erinnerungen hervor, die wehtun. Lockt lustige Erlebnisse herbei.

Hier bin ich, eine Person mit GefĂŒhlen. Eine Person, die aufs Klo muss, wenn sie nervös ist. Die andere unterbricht, weil sie unbedingt-jetzt-sofort-auf-der-Stelle ihre Gedanken loswerden muss. Eine Person, die nah am Wasser gebaut ist und losheult, wenn sie sich Ă€rgert. Und sich wahnsinnig Ă€rgert, wenn sie heult, wenn sie sich Ă€rgert. Die ĂŒber ihre Oma schreibt, obwohl das so wehtut, weil sie sie so stark vermisst.

Es ist hart, zu sich zu stehen. Vollkommen. Es ist hart, zu vergangenen Momenten zu gehen. Es ist hart, sein nacktes Selbst anderen auszuliefern.

Unsere Biologie schreibt uns vor, dass wir uns am liebsten in Rudeln fortbewegen, dass wir nicht abgelehnt werden wollen von anderen. Wir möchten nicht unangenehm auffallen. Und gleichzeitig bewundern wir insgeheim die, die aus der Reihe tanzen.

Deine Verletzlichkeit, deine persönlichen Geschichten jedem zu zeigen bedeutet Unsicherheit, weil du nicht weißt, was passiert. Es bedeutet Risiko. Und Angst.

Aber pass auf, jetzt erzÀhl ich dir was: wir brauchen uns gegenseitig. Und wir geben uns hier so viel Positives. Wir lachen, weinen und erleben miteinander.

Wenn du dich traust und dich hier ausstellst, deine Geschichten, dein Inneres, dann passiert etwas magisches. Das Innere kehrt sich nach außen. Es wird zu deinem Panzer. Du richtest dich auf und schreitest mit hoch erhobenen Kopf. Du hĂŒllst dich mit Liebe ein, mit Freude, denn du öffnest dich der Welt. Vertrauen und Liebe entstehen nur, wenn wir uns Verletzlich machen.

Ich sitze zwar anonymisiert hinter meinem Bildschirm, doch meine Seele hat einen heißen Strip hingelegt. Ich werfe dir meine seelische Unterhose an den Kopf und hoffe du nimmst sie an und wirfst deine lachend und befreit zurĂŒck. Lass uns gemeinsam ums Lagerfeuer tanzen.

© Nina Burian 2020-06-17

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