von Klaus Rafenstein
Stirnrunzeln über den fragenden Blicken. Die Germanenköpfe grübeln. Die Menschen an Land verstehen wir meist nicht, das ist erklärbar. Die Menschen an Bord verstehen mich ebenso wenig, für mich unerklärlich. Obwohl wir dieselbe Muttersprache haben – DEUTSCH! Oder doch nicht? Vier Männer und ein Segelboot schaukeln durch die kroatische Inselwelt. Drei Deutsche und ein Österreicher.
Mit Harald habe ich schon einige Abenteuer gestartet. Er avanciert zu meinem Dolmetscher. Ich versuche von meinem Freund Christoph dem Primar zu erzählen. „Du hast einen Primaten als Freund?“ ernte ich erneut verstörte Blicke. Ich lerne, dass man das Wort Primar in Deutschland nicht kennt. So wie auch das Wort Präpotenz. Diese Erkenntnis entlockt mir einen herzhaften inneren Lacher. Wie wenn der Italiener das Wort „Pasta“ nicht kennen würde. Teil der Landes-DNA und doch ein Blinder Fleck im Sprachschatz.
Die Boots-Konversation geht heiter weiter. Mein wienerisch langgezogenes „paaasst schooooh!“ wird als französische Enklave in der österreichischen Sprache gedeutet. Analog zum Plafond, dem Trottoir oder dem Bassin. Qualtinger & Farkas höre ich bis an die Adria aus ihren Zentralfriedhof-Gräbern mit vorgehaltener Hand kudern.
Harald aus Leipzig erklärt mir immer wieder auf’s Neue, dass der Balkan in Wien beginnt. „Bei euch rumpelts ja schon so richtig! Das erkennt man zum Beispiel an den Straßenbeleuchtungen, die bei euch an Schnüren hängen wie an Faschings-Girlanden.“ Pardon: An Karnevals-Manschetten!
„Klaus, kannst du mir aus der Kajüte ein Bier mitbringen?“
„Nanonanet!“ Touché! 4 Neins in einem Wort sind dem Deutschen zu viel. Ich erleichtere ihn um die strukturierten Fragezeichen in seinem Kopf und füttere nach: „Klar, mach’ ich gerne!“.
Ich gebe mein Bestes! Den Sessel mache ich zum Stuhl. Den Mistkübel verwandle ich in den Mülleimer und die komplett verblüfften Einkaufssackerl-Stirnrunzeln erspare ich Ihnen zur Gänze und frage nach der Tüte. Schamloser Selbstbetrug oder rot-weiß-rote Selbstlosigkeit? Keine Zeit um nachzudenken, wir biegen in den Präpositions-Dschungel ein. Es wird wild.
„Wieso willst du stets das Licht aufdrehen? Wo willst du es hindrehen? Das Licht schaltet man ein! Und warum möchtest du etwas in das Glas hinein-leeren. Man kann nur etwas aus-leeren. Wenn du sagst, ich möge den Löffel ins Kastl geben, dann bist du der Meinung, ich möge ihn in die Schublade hineinlegen, richtig?“
Ich fühle mich tief schuldig. Angeprangert auf der Anklagebank. Die deutsche Sprachpolizei nimmt mich erbarmungslos in die Zange. „Schuldig! Im Sinne des schweren Missbrauchs der Deutschen Sprache!“ imaginiere ich das Verhandlungsende. Mit gesenktem Kopf gehe ich zum Bug des Bootes und lege mich in meine Hängematte und baumle in ihr. Oder an ihr? Mit ihr? Gar auf ihr? Egal, sie trägt mich. Ich baumle.
© Klaus Rafenstein 2023-08-22