Sehnsucht

Vanessa Hillen

von Vanessa Hillen

Story

Ich erhasche ein Bild, ein Wort, einen Geruch, einen Geschmack. Ein kleines Stück von etwas und mein Herz beginnt zu hämmern. Stark. Heftig. Schmerzhaft.

Mein Körper kennt das Gefühl, bevor ich es überhaupt spüre. Ich fühle mich magnetisiert. In die Sensation hineingezogen. Sehne mich nach mehr.

Ich sehe es. Es ist immer um mich herum. Es wird auf den Bildschirmen gezeigt, verfolgt mich auf meinen Spaziergängen, schleicht sich in meine Träume. Egal wo ich hingehe oder was ich mache. Es wartet in meinem Hinterkopf, um aus dem Dunkeln hervorzuspringen. Sich selbst in den Fokus meines Bewusstseins zu drücken. Es wartet nur darauf, die Kontrolle über meinen Körper zu übernehmen, sich in jeder Zelle auszubreiten.

Ich kann es kaum erwarten, dass das Gefühl endlich über mich kommt. Mich komplett einnimmt. Meinen Verstand an nichts anderes mehr denken lässt.

Ich male mir die perfekte Erinnerung aus, die nicht existiert. Die für mich niemals existieren wird. Es ist zu spät. Die Verpflichtungen wurden zu hoch, um mich von ihnen zu lösen. Und das Konzept von Zeit erlaubt es mir nicht, sie zurückzudrehen.

Das Gesetz des freien Willens bekommt meine Ausrede dafür, warum ich meine Zukunft nicht in der Weise leben kann, nach der ich mich sehne. Etwas in das ich mich selbst hereinreden möchte, nur um die schwierigen Gespräche zu vermeiden. Mit mir, mit meiner Zukunft und mit den Menschen, die ich liebe. Mit meinem Vater, dem ich dann den Rücken zukehren muss.

Ich kann diese Gespräche vermeiden. Die Konfrontationen. Um jeden Preis. Genauso wie ich mich für immer nach den verlorenen Möglichkeiten sehnen kann. Nach den verlorenen Erinnerungen. Nach den verlorenen Erfahrungen. Aber es tut zu weh zu wissen, dass ich für mich selbst in der Vergangenheit hätte einstehen sollen, um anderen Wegen zu folgen, anstatt weiterhin meine eigene Zukunft auf diese Art und Weise zu sabotieren.

Es mag zu spät für mich sein, ein College in den USA zu besuchen, genauso wie es zu spät für mich sein mag, Work und Travel in Australien zu machen. Aber es ist niemals zu spät um die Orte zu besuchen, nach denen ich mich sehne. Es ist nicht zu spät um zu dem Café auf dem Columbia Campus zu gehen. Es ist nicht zu spät die Wellen am Bondi Beach zu reiten.

Ich muss mir nur selbst eingestehen, dass sich meine Seele und mein Körper nach diesen Erfahrungen sehnen. Dass diese Sehnsuchtsgefühle mehr sind als ein vorübergehender Tagtraum.

Ich muss mir eingestehen, dass sich meine Seele nach einer Art von Freiheit sehnt, die mein Verstand niemals verstehen kann.

Dass ich nicht dazu verdammt bin, bis zum Ende meines Lebens an dem Ort zu bleiben, in den ich hinein geboren wurde. Denn wenn ich auf meinem Totenbett liege, würde ich nichts mehr bereuen, als mich immer noch nach diesen Abenteuern zu sehnen.

© Vanessa Hillen 2022-08-28

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