Sei Realist …glaube an Wunder

Claudia Burghardt

von Claudia Burghardt

Story

Vor 1,5 Jahren lernte ich im Internet Mathias kennen. Nach zwei gescheiterten Ehen und längerer Trennungszeit, die Kinder zunehmend selbstständig und zum Teil schon aus dem Haus, wuchs das Bedürfnis nach einem neuen Partner an meiner Seite. Von Anfang weiß ich, dass Mathias ein Handicap hat, als Krankenschwester stellt das für mich kein Problem dar …bis nach wenigen E-Mails die Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose fällt. Vor über 10 Jahren haben ihm die Ärzte noch 3–5 Jahre gegeben, nun lebt er immer noch und sucht nach einer „Brieffreundin“, um mit Gedankenaustausch über den langen Winter zu kommen. Dabei bleibt es nicht lange. Nach einem Monat treffen wir uns, Mathias das erste Mal seit Jahren allein mit dem Zug unterwegs, wir sind aufgeregt wie Teenager. Wir haben uns soviel zu erzählen und manchmal können wir kaum glauben, wie ähnlich unsere Gedanken sind. Silvester verbringen wir bereits gemeinsam und als der Lockdown im Frühjahr letzten Jahres kommt, müssen wir eine Entscheidung treffen, wo er vor dem Virus am besten geschützt ist. Einige Hilfsmittel und Umbauten sind nötig, damit wir in meiner Wohnung Barrierefreiheit haben, am Anfang muss vieles improvisiert werden. Aber wir sind zusammen! Unsere Kinder freuen sich mit uns, von Anfang an sind wenig Berührungsängste da. Noch pendelt Mathias aller zwei, drei Wochen zu seinen Eltern, wo er von seiner Mutter gepflegt wird. Aber Zuhause: das ist schon seit längerer Zeit in unserer Leipziger Wohnung. Er, der mit seinem Leben abgeschlossen hatte, ist voller Tatendrang, gerade haben wir ein rollstuhlgerechtes Auto gekauft, wir hoffen, endlich wieder reisen zu können …und wenn es nur wieder in die Weinberge an Saale-Unstrut ist. Und dann ist da noch der Strandläufer …ein geländetauglicher Rollstuhl für Strand und Wald, der in Eigenbau in der elterlichen Garage gemeinsam mit Sohn und Neffe entstehen soll. Seine Augen leuchten, wenn er davon erzählt und es füllt die Zeit, während ich weiterhin arbeiten bin.

Wir hören nicht auf, auf ein Wunder zu hoffen, aber zu wissen, dass unsere Zeit begrenzt ist, intensiviert unsere Liebe ungemein. Vieles wird dabei unwichtig, Hauptsache, wir können zusammen sein.

© Claudia Burghardt 2021-02-14

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