Selbstbestimmt

Brigitte Böck

von Brigitte Böck

Story

Ich stehe auf meinem Balkon in der 1.Etage, ahne den Frühling, ich kann mich nicht erinnern, mich jemals so unbändig auf diese Jahreszeit gefreut zu haben. Ich schaue in den Hausgarten, eine Wiese, viele Büsche, drei große Bäume, die langsam am Erwachen sind. Der Garten ist im Sommer bevölkert mit fröhlichen Nachbarn, die gemeinsam Grillen, Gemeinschaft pflegen, feiern, lachen, auch singen. Kinder verschiedener Nationalitäten spielen fangen, sammeln Blumen und Blätter, ein buntes lebendiges Treiben.Nun ist es still, sehr still….. Ich fühle mich, wie allein auf der Welt und schalte alles in mir auf Aufnahme und öffne mich für die Natur, die so ungestört erwacht. Die Vögel haben ihr Konzert angestimmt, fliegen von einem Baum zum Anderen, kümmern sich nicht darum, ob sie von den Menschen beachtet werden. Zwei Eichhörnchen machen große Sprünge, sie brauchen keine Angst mehr vor der Hauskatze zu haben, denn sie hat sich in diesem Winter von der Welt verabschiedet. Links auf dem Balkon beginnt eine Amsel ihr Nest zu bauen. Emsig trägt sie Zweiglein um Zweiglein, bald werden wohl die ersten Eier darin liegen. Ich rede leise mit ihr, danke ihr für ihr Vertrauen und habe ihr versprochen, so gut ich kann, auf sie aufzupassen. Die Sonne stahlt von einem herrlich blauen Himmel, die Blaumeisen, ein Rotkehlchen und der Eichelhäher streiten sich um den frisch gefüllten Futterplatz. Kein Auto, kein Flugzeug, keine menschliche Stimme sind zu hören. Da kommt Johann mit Mama, sie verbringen fast jeden Tag eine Zeit auf der Wiese, im Buddelkasten, sie wohnen im Parterre. Sie spielen Ball, manchmal liest Mama vor. Als der Garten noch tief verschneit war, hatten sie gemeinsam einen Schneemann gebaut. Johann guckt nach oben zu mir, winkt und ruft: „Guten Morgen Gitti, guck mal, hab Kuchen gebacken! „Ich werfe ihm einen aufgeblasenen Luftballon runter und er klatscht in die Hände. Ein fröhliches Spiel mit Mama beginnt und das Lachen dringt tief in mein Herz.Und während ich spüre, wie mich die Wärme ganz erfüllt fühle ich mich ein wenig, wie aus dieser Zeit gefallen, ich bin bei mir und glücklich, kann die Stille genießen, mich freuen an kleinsten Dingen. Der Prozess des Werdens und Erwachens vollzieht sich auch in mir. Wie froh und dankbar bin ich, dass ich das erleben darf. Es gibt viele Möglichkeiten, sich selbstbestimmt zu fühlen, es ist alles eine Frage der Einstellung.

Ich atme tief, wie schwer ist es mir am Anfang im letzten Jahr gefallen, viele Aktivitäten und Kontakte loszulassen, mit mir allein zu sein. Es taten sich innere Türen auf, die ich nach und nach mit Spannung und Neugier erforschte und es breitete sich eine Weite, Geborgenheit und Frieden in mir aus, von dem ich bisher nur eine Ahnung hatte. In Demut erkannte ich, wie viel Reichtum verloren geht, wenn durch das geschäftige Treiben die inneren Räume verschlossen bleiben. Und so bin ich mit meinem Schöpfer verbunden und kann auch die zeitweiligen Ängste im Vertrauen an Ihn abgeben.

© Brigitte Böck 2021-02-19