von Cleo
Gefangen in meinem kleinen, aber feinen Teufelskreis des Selbstmitleids sitze ich am PC und bereite meine Präsentation der öffentlichen Demütigung vor. „Sprenge deine Grenzen“ tobt das Motivations-Buch zu meiner rechten, „Alles ist möglich!“, plädiert Sticker-Bob zu meiner linken. Dabei wirkt diese omnipräsente Phrase eher wie ein zynischer Running Gag meines Lebens. Einer, der jedes Mal lauter lacht, wenn ich wieder eine neue blamable Performance an den Tag lege. Wer hätte gedacht, dass Bob so diabolisch sein kann?
Überwinde deine Grenzen. Sei stärker. Sei besser. Sei ein verdammter Ikarus, der in seinem Hochmut die Grenzen unserer Sphäre zu überwinden sucht – und dabei übersieht, dass wir manchmal nicht fliegen können, ohne zu fallen.
Der Wunsch, Grenzen zu überwinden, ist uralt und gleichzeitig das modernste Verkaufsargument unserer Zeit. Aeneas wagte sich in die Unterwelt. Ich wage mich in ein viertägiges Online-Seminar mit Persönlichkeits-Booster-Garantie. Spoiler: Die 230€ wurden nicht gut investiert.
Also sitze ich immer noch wie ein Wrack der Präsentationskünste an meinem Schreibtisch und warte darauf, dass die Uhr 14:00 zeigt – die Zeit, die meinen Untergang (ein fünf Minuten Referat) weihen wird. Stiere die Wand nieder, lasse die PowerPoint zum zwanzigsten Mal Revue passieren, während ich mein alltägliches Motivationsmantra „Ich kann das nicht. Ich schaff das nicht.“ vor mich hin trällere. Jeder Durchlauf gleicht einem zunehmenden Foltergeflecht sozialer Ängste, das ich mir selbst stricke. Klotho, Lachesis, Atropos – und ich. Zu krass für die Welt, also hat sie jetzt eben Komplexe.
Erst eine Tasse Kaffee zum Aufputschen, dann zwei Lioran um das daraus resultierende Herzrasen wieder zu dämpfen. Ein Ritual für maximalen Präsentationserfolg mit anschließendem Kreislaufkollaps.
Das Referat ging vorbei. So wie die letzten acht zuvor auch. Mit hochrotem Kopf, zitternden Händen und einer 1,3 – weil niemand sah, dass ich innerlich einen Komplettzusammenbruch in fünf Akten aufführte. Und wenn doch, dann war ich weder die erste noch die letzte heute, sondern einfach nur menschlich.
© Cleo 2025-05-14