von Stephan Gantner
Schuld war die ÖBB, denn irgendjemand muss schuld sein. Der Zug aus Wien hatte 25 Minuten Verspätung, den Bus werde ich verpassen. 25 Minuten zu spät bedeutet für mich eine Stunde auf den nächsten Bus warten.
Das Ambiente am Bahnhof Salzburg bietet wenig Reizvolles, ich leistete mir ein Taxi. Der Fahrer stieg aus, glatzköpfig, 40 Jahre alt, circa 2 Meter groß, bullig, Toyota Hybrid, etwas abgewohnt.
Egal, man kann es sich eh nicht aussuchen, ohne Unfrieden in der Reihe der Taxifahrer zu verursachen.
Er schien freundlich, wechselte zwischen Du und Sie mit leicht gebrochenem Deutsch, erkundigte sich nach meinem Beruf und warum ich mit dem Taxi fahre.
Er habe wohl schon einen langen Arbeitstag, fragte ich, als er unruhig auf die rote Ampel starrte. Ja, sagt er, und es sei heute sehr heiß gewesen, 32 Grad. Die Klima schalte er nicht ein, weil er das bringe nichts und immer das warm-kalt bei Türe-auf und Türe-zu, da verkühlt man sich, ein Kollege wäre gerade krank geworden und er sei eh so empfindlich und außerdem, das „wichtigste bin ich, danach kommt alles andere“.
Na bumm, das ist also echte Kundenorientierung, denke ich. Aber Taxifahrer sind anders, da brauchst du nicht den Kunden in den Mittelpunkt stellen. Du stehst in der Reihe am Bahnhof an, ob du ein schönes oder altes Auto hast, ob du gut fährst oder nicht, egal.
Er komme aus Serbien, da ist die Klimaanlage in jedem Haus Pflicht.
„Haben Sie gesehen die Preise bei der Tankstelle“, sagt er nach kurzer Pause. Wohin das wohl noch führe, man solle doch wieder russisches Öl importieren. Ich werde hellhörig. Serbien und Russland, da war doch was.
Das habe weniger mit dem russischen Öl-Boykott zu tun, als mit nicht funktionierenden Märkten und dem Krieg, sage ich.
Welcher Krieg, Putin führe keinen Krieg. Er verteidige nur sein Land.
Aha, also in ein anderes Land einzumarschieren und Städte zu vernichten, ist Landesverteidigung?
Die Argumente wechseln, die Standpunkte bleiben. Serbien sei ein Freund Russlands, Serbien wolle nicht in die EU, er befürworte eine Militärbasis der Russen im Geburtsland. Putin hole sich nur das zurück, was Russland gehöre. Er lebe hier und halte sich an die Gesetze, aber das war es schon.
Die Ausstiegsstelle naht. Meine Argumente fruchten nicht. Prallen ab.
„Kein Trinkgeld heute“, sag ich. Und sage zum Abschluss um Versöhnung bemüht, „gut, dass Sie wenigstens auch gegen den Krieg sind“. Er lacht selbstsicher in sich hinein, denkt wohl, aber erst wenn Putin gewonnen hat.
Er lässt mich ratlos zurück.
Hätte ich gleich aussteigen sollen? Konnte ich etwas überzeugen? Was tut der Mann hier in Österreich, wenn er doch so stolz auf Serbien und Russland ist? Meinungsfreiheit ist gut, aber ein Renommee ist der Bursche für die Taxigilde sicher nicht?
Es war mein erstes reales serbisches Erlebnis. Mit einem echten Serben, dessen Meinung viele Serben teilen. Aber ich werfe nicht alle Serben in einen Topf. Am Thema bleibe ich dran.
Die ÖBB hat daran nicht schuld.
© Stephan Gantner 2022-06-16