von Pia Holter
Ich bin mitten drin in diesem Gender-Pay-Gap, von dem alle reden. Und der macht was mit mir, mit meinem Selbstwertgefühl. Wir leben in einer Welt, in der „wertvoll sein“ ganz oft gleichbedeutend ist mit „viel Geld wert“. Nichts zu verdienen fühlt sich an, als würde ich es auch nicht verdienen.
Nach meiner Zeit in einer Rechtsanwaltskanzlei war es meine Entscheidung, zuhause zu bleiben. Ich bin mir schmerzlich bewusst, dass das ein Luxus ist, den wir uns leisten können. Geld allein macht nicht glücklich, schon richtig. Aber es macht vieles leichter. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass alle Eltern über ein erfülltes geistiges Leben grübeln können, anstatt darüber, wie sie die Bäuche füllen.
Nur, wenn du sagst, anderen geht es schlechter, mir geht’s doch eh so gut, sagst du auch, du solltest dich nicht so fühlen, deine Gefühle sind falsch. Setz dich für andere ein, sei demütig und sprich dir dabei nie deine eigenen Gefühle ab.
Finanzielle Abhängigkeit ist immer unangenehm. Sorgearbeit ist auch Arbeit – auch, wenn sie nicht bezahlt wird. Das ist leicht daher gesagt. Aber meine Partnerin oder mein Partner, auch wenn sie oder er diese Arbeit sieht und schätzt, kann die fehlende Wertschätzung der Gesellschaft nicht alleine ausgleichen. Obwohl mein Mann und ich ein fantastisches Team sind und regelmäßig sehr offen darüber sprechen, wie wir trotz Rollenverteilung gleichberechtigt bleiben können, habe ich mich minderwertig gefühlt. Es geht immer wieder viel mehr um meine Wahrnehmung, dass meine Arbeit etwas wert ist, als um seine.
Mein Gamechanger war ein Gespräch mit einem Versicherungsmakler. Mein Mann und ich hatten beide eine Lebensversicherung über die Kreditsumme für unser Haus abgeschlossen, damit wir nicht auch noch den Kredit am Hals haben, wenn einer von uns stirbt. Meine Logik war, dass mein Mann gut verdient und ich auch in absehbarer Zukunft sehr wahrscheinlich leider deutlich weniger. Würde ich sterben, hätte er keine finanziellen Sorgen zu befürchten. Ich schon. Daher meine kündigen, seine bestehen lassen. Die Argumente des Versicherungsmaklers haben mir in unerwarteter Weise die Augen geöffnet. Wenn ich sterbe, hat mein Mann exakt die gleichen finanziellen Sorgen wie ich. Er könnte nicht mehr so viel arbeiten und/oder müsste meine Leistung woanders einkaufen. Finde einmal eine Betreuung, die 24/7 für zwei Kinder da ist und nebenbei den Haushalt macht. Sklaverei ist mittlerweile verboten. Dazu kommen noch die Annehmlichkeiten, die ohne Frau wegfallen. Teurer Spaß. Gut, letzteres hat er nicht ins Treffen geführt. Aber du verstehst.
Vielleicht lebe ich gar nicht lange genug, damit ich „später dann eh noch Karriere machen kann”. Deshalb muss meine Arbeit mir heute etwas wert sein. Das ist nicht jeden Tag gleich leicht. Ich versuche, mich immer wieder daran zu erinnern. Ich bin nicht mein Geld, ich bin Gold wert.
© Pia Holter 2021-07-04