von Pia Holter
Es wird sie geben, die Tage an denen du deinen Kindern wünscht, dass sie Astronautinnen und Astronauten werden. Weil du sie am liebsten zum Mond schießen würdest. Die Momente, in denen du langsam von 10 herunterzählst und tief durchatmen musst, damit du nicht unkontrolliert in die Luft gehst.
Ich liebe meine Kinder und die meisten würden mir vermutlich eine Engelsgeduld attestieren. Und an manchen Tagen reicht es sogar mir. Kinder haben gefühlt nie endende Energien. Sie wollen sich bewegen, alles ausprobieren, selbst entscheiden, Grenzen ausloten und überschreiten, um herauszufinden was dann passiert. An manchen Tagen hören sie das Wort „Nein” und du kannst in ihren Augen sofort den Schelm sehen. Manchmal muss sich in einem winzigen Moment angestaute Emotion entladen und sie schreien und wüten, weil der rote Becher gerade im Geschirrspüler ist. Bei einem solchen Tobsuchtsanfall in der U-Bahn sagt einem keiner „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“. Sobald sie in die Schule kommen, sind sie auf einmal unendlich gescheit. Und dann kommt ja auch noch die Pubertät. Generell kommt mir vor, dass diese Phrase “Es ist nur eine Phase.” bei Kindern nicht sehr hilfreich ist. Es stimmt schon. Nur kommt immer eine Phase nach der anderen. Und jede Phase behält ihre Herausforderungen für mich bereit. Bei uns aktuell an der Tagesordnung: die eigene Kraft zu entdecken. Und wenn ich, auch wenn es nicht mit böser Absicht passiert, eine mit einem Stock übergezogen bekomme, muss ich fest die Zähne zusammenbeißen. Obwohl ich mir das leichter vorstelle als den Moment, wenn mein Sohn in der Lage ist, mich mit verbalen Waffen zu treffen. Die schmerzen deutlich mehr, weil sie tiefer gehen. Wenn du bedingungslose Liebe willst, dann kauf dir einen Hund. Von Kindern darfst du das nicht erwarten.
Wenn mir daraufhin jemand rät, ich soll was zur Entspannung machen, Yoga zum Beispiel, zucke ich aus. Meine Nerven dehnt das nämlich nicht. Ein paar meiner Muskeln sind ohnehin lockerer als ich das gern hätte, ich strecke mich zum Sonnengruß mit verschiedenen Gewichten am Wickeltisch, mache den Spagat zwischen allen Aufgaben und stelle mich und auch mal das Haus auf den Kopf, um das Feuerwehrauto unter einem der Möbel wiederzufinden.
Was mir wirklich hilft, ist mich auch mit meiner neu entdeckten Wut anzunehmen. Ich will nicht, dass meine Söhne lernen ihre „negativen“ Gefühle anzustauen, bis irgendwann der Damm bricht. Wer den Regenbogen will, muss auch den Regen aushalten. Wer sich klare statt anhaltend dicke Luft wünscht, muss dem Gewitter Raum geben. Es kommt nämlich nicht nur auf das Donnerwetter selbst an, sondern auch auf das, was danach kommt.
Fast explodiert bin ich zuletzt, als ich ein Buch in der Waschmaschine mitgewaschen habe. Glaub mir, dagegen ist ein Taschentuch ein Witz. Mein Sohn hat glücklicherweise schon gelernt, sich auch in aufgeladener Stimmung auf das Positive zu besinnen: „Gott sei Dank war es kein Baggerbuch, Mama.” Den Spruch merk ich mir.
© Pia Holter 2021-07-04