von Simona_Hartmann
„Erzähl mal vom Sexualkundeunterricht. Das ist immer so interessant“, meint eine Kollegin. „Ja, gerne“, lege ich los. „Das ist immer eine gute Zeit mit den Kindern. Ich glaube, weil Liebe, Beziehung, Berührung, Intimität und Sexualität für alle Menschen von Bedeutung ist. Egal, wie alt sie sind. Die Gewichtung der Themen verändert sich im Laufe des Lebens. Aber von Bedeutung sind sie immer. Und eben auch für die Kinder. Ich wüsste kein Thema, bei dem so ein hohes Maß an Aufmerksamkeit im Unterricht vorhanden ist, wie bei den ersten Gesprächsrunden in Sexualkunde. „Trauen die Kinder sich denn die Wörter für Geschlechtsteile auszusprechen?“, fragt meine Kollegin. „Sehr unterschiedlich. Wir sammeln vorher Begriffe, und einigen uns dann auf die, mit denen sich die meisten wohlfühlen können. Da fallen dann die zotigen Begriffe von selbst raus. Manchmal ist es schwer, nicht zu schmunzeln.“ – „Das kann ich mir vorstellen“, sagt meine Kollegin. Ich fahre fort: „Es gibt immer wieder besondere Momente. Zum Beispiel ein Mädchen, das wirklich noch nie etwas davon gehört hatte, wie das Baby denn jetzt in den Bauch kommt. Natürlich wird in den Familien sehr unterschiedlich offen und unterschiedlich wertschätzend über das Thema gesprochen. Aber dass es irgendwie so ein Sperma vom Mann gibt, das irgendwie in die Frau gelangen muss, damit ein Kind entsteht, das wissen eigentlich alle. Es gibt natürlich auch die Kinder, die schon in einer altersunangemessenen Weise in Berührung mit dem Thema gekommen sind. Oder manche gucken Pornos, oder bekommen mit, wenn ihre Eltern Pornos gucken. Wenn uns ein neunjähriges Kind, sichtlich unangenehm berührt, berichtet, eine Frau liege auf dem Schreibtisch, und drei Männer machen Sex mit ihr, tja, dann hoffe ich zum einen, dass das ein Film war und nicht real live. Zum anderen schlage ich nicht die Hände vor dem Gesicht zusammen, sondern bestärke das Kind in der Wahrnehmung seines eigenen Gefühls dabei.“ Meine Kollegin meint: „Ja, sich selbst gut wahrzunehmen ist die Basis für jegliche Eigenbestimmung.“ – „Genau. Die Schlüsselfrage ist immer: Ist mir das gerade angenehm oder unangenehm? Nur wenn ich fühlen kann, was mir unangenehm ist, kann ich für meine Grenzen sorgen.“ Ich überlege und erinnere mich dann: „Manche wissen, was ein Bordell ist. Und können das Wort auch ohne peinliche Windungen aussprechen. Andere denken dabei an Bonduelle, das Gemüse. Und sprechen auch das selbstbewusst aus. Oder einmal blätterte ein Junge vertieft in einem Comic aus unserer Bücherkiste zum Thema. Dann blickte er zu mir auf: „Du, wenn ich das lese, krieg ich ’n Steifen.“ –„Und, ist das ein angenehmes Gefühl?“ Er fühlte kurz in sich hinein und grinste dann: „Ja“ und vertiefte sich wieder in das Buch. Ich finde es schön, wenn die Kinder ihre Gefühle wahrnehmen, und erfahren, dass jedes Gefühl dabei in Ordnung ist.“
„Erzähl noch mal das mit dem Vergnügungspark!“, schaltet sich eine andere Kollegin in. „Ja, das war so witzig. Ein Schüler fand zu Hause Kondome und fragte seine Mutter, was das sei. Die Antwort war: Eintrittskarten in den Vergnügungspark. Oder einmal kam ein Schüler morgens zu mir: „Du, es gibt doch so einen Spruch, mit dem Wurm und dem Vogel.“ – Ich:„ Meinst du: Der frühe Vogel fängt den Wurm?“ Er: „Ja, hm, nein, so ähnlich. Mit Vögeln und dem Wurm, irgendwie, ach ja, jetzt weiß ich wieder: Frühes Vögeln entspannt den Wurm. Das sagt meine Mutter manchmal.“
Herzhaftes Gelächter. Erfrischt gehen wir in die nächste Stunde.
© Simona_Hartmann 2024-01-22