Sie fehlt, die Kontrolleurin

Berta-Dickens

von Berta-Dickens

Story
Bayern 2025

Es wurde wieder einmal Zeit für die gründliche Reinigung meines Autos. Ich fühlte mich fit genug die Reinigung vorzunehmen. Dabei vertagte ich bewusst, das Waschen der Sitze. Das wäre in meinem Zustand zu viel gewesen. Ich bin weiterhin auf Achtsamkeit bedacht. Alles Schritt für Schritt. Das Wetter war hervorragend. Mittlere Temperaturen, kein Wind, bedeckter Himmel. Ich bereitete alles penibel vor, zuerst suchte ich alle Fächer nach wichtigen Kassenbons ab. Dabei kamen Dinge zu Tage, welche ich zwar nicht vermisst, aber als wichtig erachtete. Ein Bleistift, (der auch bei Frost schreibt), dachte ich. Eine Tube Handcreme, ein Löffel, falls ich mal unterwegs Hunger auf einen Joghurt habe, eine zweite USB-Steckdose für den Zigarettenanzünder. Ich schmunzelte. So ein Quatsch, mein Auto ist mit zwei USB Buchsen ausgestattet. Wozu brauche ich so etwas? Mein zu mir flüsterndes Sicherheitsbedürfnis, ich nenne es den stillen Zwerg, war mir wieder in die Quere gekommen. Leise aber prägnant. Ich fand noch versteckt unter dem Sitz einen zweiten Bleistift. Wie praktisch, wer suchet, der findet. Die gefundenen Dinge legte ich in einen Eimer und wollte mich damit später beschäftigen. Ich holte den alten Staubsauger vom Dachboden und legte los. Es ist schon erstaunlich, wie viel Laubstückchen, Steine und Sand so von Ort zu Ort verlagert werden. Während des Saugens, zuerst kam der Kofferraum dran, umgab mich eine Wehmut mit einer wohligen Wärme. Schuld war der Gedanke an unsere Katze „Socke“. Sie fehlte mir nicht nur in diesem Moment. Ich hielt inne und musste kurz schluchzen. Unser Söckchen war im Haushalt bei allen Aktivitäten dabei. Manchmal forderte sie uns regelrecht heraus. Alles wurde von ihr vorher und nachher inspiziert. Ob es die Reinigung der Terrassenfenster betraf, beim Hausflohmarkt die Aufbauarbeiten, bei der Gartenarbeit, oder aber sämtliche Arbeiten an unseren Autos. Immer war Socke präsent. Und nicht nur, dass sie einfach zuschaute, für sie war es ein Bedürfnis alles zu kontrollieren. Opa Manni gab ihr den treffenden Zunamen, Socke die Kontrolleurin.

Es kostete mich große Mühe, einfach weiterzumachen. Das Gedankenkarussell über unser Familienmitglied drehte sich immer schneller. Es ist zwar bereits eine Weile her, dass sie über die Regenbogenbrücke gegangen ist, aber die Erinnerung schmerzt. Sicherlich schaut sie von der einen Wolke, welche gerade am Himmel wie ein Katzenkörbchen aussieht, zu. Sie kontrolliert jetzt auch da oben. In meinem Gesicht kehrte das Lächeln zurück, denn es ist so, wie es ist. Weiterhin durchflogen meinen Kopf die unterschiedlichsten Schnappschüsse, wo unsere Socke am und im Auto aktiv war. Ob bei Opa Reiner auf seiner Schulter, während er neue Einstellungen am Autoradio vornahm, beim Reifenwechsel, beim Filterwechsel im Motorraum, beim Umbau der Kofferraumbeleuchtung auf LED. Der Fußraum, die Rückbank, alles war irgendwie ihr Revier. Unsere Socke war sehr intelligent, denn alles was uns gehörte, besaß auch sie.

Mittlerweile war ich, in Gedanken schwelgend, mit der Innenreinigung fertig. Alles duftete irgendwie nach „Neu“. Ich musste schon wieder schmunzeln, denn Socke hätte noch die eine oder andere Stelle zum Nacharbeiten entdeckt. Bei der nächsten Reinigung wird unser Söckchen wieder dabei sein, das verspreche ich. Auch wenn mir dabei wieder eine Träne die Wange herunterläuft, ich bin unendlich dankbar für die gemeinsame Zeit.

© Berta-Dickens 2025-05-09

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd, Emotional, Hoffnungsvoll, Inspirierend, Traurig
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