Sind Masken ein Segen?

Theodor Leonhard

von Theodor Leonhard

Story

“Masken sind ein Segen!“, dachte Franz bei sich selbst. Er kaufte drei neue Packungen für sich. Nur noch sieben Masken hatte er zu Hause und zwei für alle Fälle im Auto deponiert. Doch jetzt musste er sich rechzeitig um neue bemühen. Man konnte ja nie wissen …

“Masken sind ein Segen!” wurde Franz nicht müde, in seiner Familie und in seinem Freundeskreis zu betonen. Zweifelsohne hatte er recht. Wie das Virus sich ausgebreitet hätte und noch weiter ausbreiten würde ohne Masken im Gesicht der Menschen, das malt man sich besser gar nicht aus. Abgesehen von den Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen können oder dürfen, eine Maske zu tragen gehört immer noch zur gegenseitigen Rücksichtnahme im Umgang mit der Pandemie. Wie recht Franz doch hat mit seiner Einschätzung.

“Masken sind ein Segen!”. Das hätte Franz schon früher gerne gehabt, dass er ganz selbstverständlich und ohne großes Aufsehen eine Maske hätte tragen können. Schon längst bevor die meisten Menschen das Wort Covid zum ersten Mal gehört hatten, war er ein Freund von Masken.

Nicht, dass er in einem Faschingsverein gewesen wäre und sich für den Rosenmontagsumzug gern von Kopf bis Fuß in eine andere Person verwandelt hätte. Das war überhaupt nicht sein Ding.

Aber er wollte sich nicht in sein Gesicht schauen lassen. Seine heruntergezogenen Mundwinkel oder seine manchmal ins Leere blickenden Auge wollte er am liebsten verbergen.

“Gut!” sagte er jedes Mal, wenn er gefragt wurde, wie es ihm geht. “Doch, mir geht’s gut.”. Seine nervös zuckenden Lippen oder seine traurigen Augen sprachen manchmal eine andere Sprache als die Worte, die er aussprach. Wenn ein anderer Mensch das sah und bemerkte und dann vielleicht auch noch mal nachfragte, dann konnte Franz ziemlich barsch reagieren. “Frag, doch nicht so blöd. Ich hab doch gesagt. Mir geht es gut.”

“Masken sind ein Segen!”. Jetzt war endlich Schluss mit der dummen Nachfragerei und mit dem anstrengenden Pokerface, das Franz sich angewöhnt hatte. Endlich musste er sich nicht mehr verstellen. Das erledigte jetzt die Maske für ihn und gerade war er dabei, seinen Vorrat wieder auszubauen und abzusichern.

Nur manchmal … Gestern hatte Franz beim Anstehen an der Käsetheke Gesprächsfetzen mitgehört, als eine Frau ihrer Freundin mit Tränen in den Augen von ihrer Not erzählte. Auf dem Heimweg hatte er strahlende Kinderaugen gesehen un ihr herzliches Lachen gehört, als er am Spielplatz vorbeiging. Und heute Nacht konnte er lange nicht schlafen und hat vor sich hingegrübelt …

Nur manchmal – in solchen Situationen, sehnte Franz sich klammheimlich danach, dass jemand in seinem Gesicht die Einsamkeit und die Traurigkeit seines Herzens sah, dass jemand seine Sehnsucht nach Liebe bemerkte. Er selbst konnte seine Sehnsucht nicht sagen. Noch nicht?

Diese Geschichte ist meiner Frau zu ihrem Geburtstag am 26. Juni gewidmet. Sie ist eine wahre Künstlerin im Lesen von Gesichtern und im liebevollen Blick hinter Masken.

© Theodor Leonhard 2021-06-26

Hashtags