Sind Sie die Kasse?

Elisabeth Otto

von Elisabeth Otto

Story

Herrlich, wie die Sonne heute Morgen strahlt! Ich ziehe mich an, schütte mir meine erste Tasse Kaffee rein, schnappe meinen Schlüsselbund und verlasse die Wohnung durch den Keller in Richtung Parkplatz. Was hab‘ ich heute Lust zur Arbeit zu fahren an so einem wunderschönen Tag. Eigentlich will ich raus aus diesem Hamsterrad. Was bleibt mir denn vom Gehalt jeden Monat übrig? In meinem Kopf geistern so viele Ideen herum, dass er manchmal fast zu platzen droht. „Ich brauch‘ Geld, keine Arbeit! Beschäftigen kann ich mich alleine.“ Das habe ich vor einiger Zeit mal gelesen. Nett, oder? Auch wenn ich keine Ahnung hab‘, wer das gesagt oder geschrieben hat, hat diese Person definitiv meine volle Zustimmung. Jeder hat Tage, an denen er ins Grübeln kommt – über den Sinn des Lebens vielleicht und darüber, ob das wirklich schon alles gewesen sein soll. Aber ich bin froh, dass ich meinen Lebensunterhalt zumindest durch etwas bestreiten kann, was mir Freude bereitet und trotzdem auch ein kleines bisschen sinnvoll ist.

Wie lange ich das allerdings noch kann, steht in den Sternen. Man erlebt nämlich so einiges und das ist nicht immer was Gutes. Aber einen positiven Aspekt gibt’s immer: Ich kann euch einiges erzählen.

Die Vögel zwitschern und die Sonne brennt erbarmungslos. Schon leicht genervt knalle ich den Telefonhörer auf. „Wenn heute nochmal jemand so blöde Fragen stellt, reißt mir der Geduldsfaden …“

Schlimm genug, dass ich bei dem Wetter hier in der Touristinfo sitzen muss, statt im Freibad oder auf meinem Balkon. Die Leute sind heute mal wieder unmöglich …

Plötzlich wird mit einem lauten Knall die Tür auf- und ich aus meinen Gedanken herausgerissen.

„Sind Sie die Kasse?“, fragt die Frau, die gerade hereingestürmt ist. Ein „Guten Tag“ wäre auch nett gewesen.

„Nein, ich bin die Frau Otto“, erwidere ich überraschend schlagfertig. Meine Kollegin im Hintergrund kichert leise und die Kundin schaut ein wenig irritiert, als wäre sie nicht sicher, ob sie lachen oder meckern soll.

„Ich wollte doch nur … ich meine …“, beginnt sie zu stammeln.

„Was genau möchten Sie denn kaufen oder bezahlen?“, frage ich weiter, bis ich ihr irgendwann ihr Anliegen entlocken kann. Als sie gegangen ist, kommt meine Kollegin und beglückwünscht mich für diese Reaktion.

Das Telefon klingelt zum 5. Mal, endlich können wir den Anruf entgegennehmen. Schon wieder jemand, der den Chef sprechen möchte. Der sitzt allerdings schon wieder in einer Besprechung, gleich danach muss er zum nächsten Außentermin. Tja, Pech gehabt, der Anrufer muss wieder vertröstet werden.

„Also den Stress vom Chef möchte ich nicht haben“, ertönt es vom Schreibtisch neben mir.

„Ich auch nicht“, bestätige ich. „Zum Glück bin ich hier nur die Kasse.“

© Elisabeth Otto 2025-04-16

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Komisch, Unbeschwert