Sindbad der Seefahrer – Oman

Gerhard Maier

von Gerhard Maier

Story

Tausend und eine Nacht lang erzählte Scheherezade dem persischen König Shahriar ihre Märchen. Dabei bewegte sie sich auf ganz dünnem Eis. Eigentlich war sie ja nur für eine Nacht als des Königs Frau vorgesehen gewesen, denn dieser vermählte sich üblicherweise nur für ganz kurze Zeit, am nächsten Morgen mussten seine Frauen sterben. Shahriar hatte ein Trauma: Er war einmal von einer seiner Frauen betrogen worden und das sollte ihm nicht noch einmal passieren. Scheherezade durchbrach den bösen Brauch, indem sie dem König spannende Geschichten auftischte, ganz nach dem Motto: Fortsetzung folgt. So ließ er sie am Leben, um am nächsten Abend der Fortsetzung lauschen zu können.

Sindbad ist der seefahrende Held aus diesen morgenländischen Märchen. Jedes der Länder am Persischen Golf beansprucht den echten Sindbad als ihren Landsmann. Unbestritten dürfte sein, dass er seine Abenteuer auf den traditionellen Dhaus vollbracht hatte, die sich von Arabien bis weit hinunter an der afrikanischen Ostküste wiederfinden. Sansibar vor Tansania ist eine Gründung des Sultanats Oman und war lange des Sultans Umschlagplatz für Gewürze und Sklaven.

Der Oman beansprucht jedenfalls den „echten Sindbad“ für sich, er soll in der Hafenstadt Suhar im Norden gelebt haben. Von dort aus sind vor 1000 Jahren omanische Seefahrer mit Dhaus bis nach China gelangt. 1980 haben omanische Zimmerer auf Initiative des Iren T. Severin eine traditionelle Dhau ohne Metallteile gebaut und sind damit nach 6,5 Monaten und 6.000 Seemeilen im chinesischen Kanton gelandet.

Oman 2019: nach langen Staub- und Wüstenfahrten sind wir bei der Stadt Sur an die Küste gelangt. Ein skurriles Bild boten die kilometerlangen Sandstrände. Sie waren voll mit Omanis, Männer und Frauen, alle bekleidet mit Kaftanen. Keiner machte ein Anzeichen ins Meer zu gehen, dafür stand der eine oder andere Geländewagen knapp am Wasser. Im Reparaturhafen konnten wir traditionelle Dhaus auf Reede liegen sehen.

Wir fahren dreißig Kilometer zum Kap Ras al Jinz, wo sich ein berühmtes Naturschutzgebiet für Schildkröten befindet. Auf den Feinsandflächen zwischen den wilden Felsen finden wir Kriechspuren von Schildkröten, die nach der Eiablage wieder ins Meer gerobbt sind. Im Museum gibt es ein kleines Becken mit Gegenstromanlage. Ein einzelnes, unecht wirkendes Schildkrötenbaby schwimmt monoton wie von einer Duracel-Batterie betrieben vor sich hin.

An der Küste entdecken wir in einem Ruinenfeld ein interessantes Gebäude. Als wir uns nähern, kommt von irgendwoher ein einzelner Wächter, der uns unmissverständlich verjagt. Wir haben gerade ein Mausoleum aus 1329 gefunden, das seiner Restaurierung harrt. Eine Gedenkstätte der Königin Bibi Miryam, die auf die glänzende Meeresfläche blickt. Wir müssen ein andermal wiederkommen.

Der trockenheiße Wüstenstaat Oman hat eine 2.000 km lange Küste. 200 km davon haben wir abgefahren und dabei viel vom Geist Sindbads verspüren können.

© Gerhard Maier 2021-09-24