Singen. Tränen. Lichtermeer.

SuzukiOma

von SuzukiOma

Story

1955

Während meiner Volksschulzeit besuchte ich gerne die Singschule der Stadt Wien. Einmal in der Woche fand so eine Singstunde in unserer Schule, außerhalb des normalen Unterrichts statt. Hier wurde der Grundstein für Musik gelegt, Noten lernen, etc.

Jedes Jahr war als Krönung unserer Anstrengung ein Fest der “Tausend Kinderstimmen” im Konzerthaus geplant. So auch im Jahr 1955, wo Österreich endlich den Staatsvertrag bekam!

Voller Freude und gut vorbereitet stürmten hunderte Kinder die Bühne und fieberten der Aufführung entgegen.

Als Ordnung eingekehrt war, betrat Bundespräsident Theodor Körner den Saal. Es herrschte ehrfürchtige Stimmung. Sodann wurde die Bundeshymne angestimmt. Das war ein Klang! Bis heute vergesse ich nicht meine Rührung, die ich damals verspürte. Daher kann ich auch kaum mehr diese Hymne singen oder hören, ohne in Tränen auszubrechen!

Ein Lichtermeer für unser Österreich.

1986

Mein Lieblingschor, bei dem ich mitwirkte, durfte die musikalische Gestaltung einer Weihnachtsfeier des Blindenverbandes ausrichten.

Die Stimmung war famos, man merkte, wie sich die Geladenen freuten, gemeinsam dieses Fest zu feiern. Ein Adventkonzert mit vielen Weihnachtslieder aus verschiedenen Bundesländern stand am Programm.

Zufrieden sahen wir von der Bühne in glückliche Gesichter und merkten auch, dass da und dort mitgesungen wurde. Als Abschluss begannen nun zwei männlichen Chormitgliedern mit Gitarrenbegleitung “Stille Nacht” anzustimmen.

Wir wurden überrascht. Alle Gäste standen auf, reichten sich die Hände und sangen andächtig mit. Meiner Chorfreundin und mir wurden die Augen nass, sodass wir uns schluchzend in die letzte Reihe zurückzogen. Es war so beeindruckend, auch diese Feier werde ich nicht mehr vergessen!

Ein Lichtermeer für Menschen, die unserer Hilfe und Anteilnahme bedürfen.

1998

Das letzte Weihnachtsfest mit meiner Mutter. Schon fast am Ende ihrer Kräfte freute sie sich, dass wir bei ihr in der Wohnung das Fest der Feste feierten. Einen kleinen geschmückten Christbaum brachten wir mit. Für das leibliche Wohl hatte ich ebenfalls gesorgt, somit konnten wir als kleine Familie schöne Stunden erleben. Ein Moment der Ergriffenheit stand mir noch bevor. Ich hatte die Melodica mit und Mama sang aus vollem Herzen Stille Nacht. Die Tränen rannen mir über die Wangen, ich konnte sie nicht zurückhalten!

Mein Mann und unser Sohn gingen später nach Hause, ich blieb bei Mama. Schon einige Monate schlief ich bei ihr. Dank des Verständnisses meines Mannes konnte ich es durchführen, tagsüber hatte ich verschiedene Organisationen zur Betreuung meiner Mutter engagiert. Damals wusste ich nicht, dass es die letzten gemeinsamen Weihnachten sein werden!

Ein Lichtermeer für jene Lieben, die uns schon in die Ewigkeit vorausgegangen sind.

Ihr könnt euch jetzt vielleicht vorstellen, warum ich bei Stille Nacht und Bundeshymne stets weinen muss.

Eine schöne Adventszeit wünsche ich euch allen!

© SuzukiOma 2020-12-08

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